Belastung für den christlich-jüdischen Dialog befürchtet
Wien, 9.8.00 (KAP) Der österreichische "Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit" übt Kritik an der bevorstehenden Seligsprechung von Papst Pius IX. und sieht darin eine Belastung für den christlich-jüdischen Dialog. Pius IX. sei verantwortlich für den "Fall Mortara", stellt der Koordinierungsausschuss fest (1858 war ein - insgeheim von einer katholischen Hausangestellten getauftes - jüdisches Kind im damals noch päpstlichen Bologna den Eltern weggenommen und nach Rom zur katholischen Erziehung gebracht worden; Edgardo Mortara blieb allerdings auch später dem katholischen Glauben treu, wurde Priester und ein berühmter Prediger in Nordamerika und Westeuropa). Außerdem habe Pius IX. den Juden im Kirchenstaat Bürgerrechte und religiöse Selbstbestimmung verweigert, heißt es in der Erklärung des Koordinierungsausschusses. Dies könne heute keinesfalls als "standhaftes Festhalten im Glauben und der Verteidigung katholischer Prinzipien positiv gewertet" werden.
Eine Seligsprechung bedeute nicht nur eine Aussage über die persönliche Frömmigkeit einer Person, sie wolle stets auch eine überzeitlich gültige Weisung für nachahmenswertes Verhalten geben. Im christlich-jüdischen Dialog sei die katholische Kirche seit Johannes XXIII. jedoch klar einen gänzlich anderen, ja entgegengesetzten Weg zu dem von Pius IX. gegangen. Nach Ansicht des "Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit" widerspricht eine Kanonisierung von Pius IX. allen Versöhnungsbemühungen des derzeitigen Papstes mit dem Judentum.
Der Präsident des Verbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Italiens, Prof. Amos Luzzato, habe die bevorstehende Seligsprechung als einen Rückschritt in den christlich-jüdischen Beziehungen bezeichnet, erinnert der Koordinierungsausschuss. Der Vatikan rufe damit unter den jüdischen Gemeinden Italiens die schmerzhafte Erinnerung an den "Fall Mortara" wach und bewerte diese Zeit positiv. Möge dieser Fall im Pontifikat Pius IX. vielleicht auch nur eine Nebensächlichkeit gewesen sein - für die Juden Italiens seien die Beziehungen zu diesem Papst keinesfalls "marginal", habe Luzzato betont. Dies entwerte den persönlichen Einsatz von Papst Johannes Paul II. für die christlich-jüdische Aussöhnung.
Kathpress