Mit militärischer Gewalt kann Ruhe und Ordnung nicht wieder hergestellt werden
Jerusalem-Paris, 10.10.00 (KAP) Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, hat Israel aufgefordert, nach einer Verhandlungslösung für die derzeitigen Unruhen zu suchen. Die israelischen Behörden beurteilten die neuerliche Welle der Gewalt wie frühere Unruhen, bemängelte Sabbah in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der französischen katholischen Tageszeitung «La Croix». Ihre einzige Antwort auf den Aufstand sei die Gewalt. Doch mit gepanzerten Fahrzeugen, Soldaten und Geschossen könnten Ruhe und Ordnung nicht wieder hergestellt werden, erklärte der Erzbischof. Erstmals hätten sich auch Palästinenser auf israelischem Territorium den Protesten der Palästinenser aus den besetzten Gebieten angeschlossen.
Israel müsse den «wahren Gründen» des Konfliktes ins Gesicht sehen, so der Patriarch. Diese bestünden darin, dass das palästinensische Volk seit einem Jahrhundert seiner elementaren Rechte beraubt sei. Die palästinensischen Christen hätten den gleichen Hunger nach Gerechtigkeit wie die muslimischen Palästinenser. Sabbah fügte hinzu, ein Friedensabkommen liege im Interesse Israels. In der umstrittenen Jerusalem-Frage habe es fast eine Einigung auf ein palästinensisches Jerusalem als Hauptstadt Palästinas und ein Westjerusalem als Hauptstadt Israels gegeben, wobei die Heiligen Stätten von den jeweiligen Regierungen zu schützen gewesen wären. Diese Lösung sei aber auf Grund «übersteigerter religiöser Gefühle» zum Scheitern gebracht worden.
«Palästinenser haben keine Waffen»
Sabbah verteidigte die Palästinenser gegen Vorwürfe der Provokation. Das palästinensische Volk verfüge über keine Waffen. Die Jugendlichen setzten ihr Leben ein, um ihre heiligen Stätten und ihre Freiheit zu verteidigen. Der Patriarch kritisierte Israel und wies darauf hin, dass es am Sonntag in Nazareth unter dem Schutz der Armee und der Polizei zu gewalttätigen Übergriffen von Juden gegen Palästinenser gekommen. Die Aggression sei von der israelischen Seite ausgegangen.
Kathpress
10. oktober 2000