Israelischer Franziskaner, der für die Planung der Papstreise mitverantwortlich war, warnt vor Pauschalurteilen und plädiert für friedliche Lösung
Vatikan-Jerusalem-Beirut, 5.12.00 (KAP) Im Nahostkonflikt gibt es «auf beiden Seiten Katholiken», auch wenn die meisten der katholischen Gläubigen Palästinenser sind und «das Schicksal dieses Volkes teilen», betonte der israelische Franziskaner und Kirchenrechtsexperte P. David Jaeger in der neuesten Ausgabe des vatikanischen «Fides»-Dienstes. P. Jaeger stammt selbst aus einer jüdischen Familie in Israel, wo er 1955 geboren wurde. Er trat 1981 in den Franziskanerorden ein und ist Mitglied der Delegation des Heiligen Stuhls bei der Bilateralen Kommission mit dem Staat Israel. Er war maßgeblicher Mitverfasser der Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel und einer der «Strategen» bei der Vorbereitung des erfolgreichen Papstbesuches in Israel im März. Jaegers Stimme zum Nahost-Konflikt wird im Vatikan außerordentliches Gewicht beigemessen.
Der israelische Franziskaner warnte vor Pauschalurteilen und erinnerte daran, dass es weiterhin eine große Friedenssehnsucht auf beiden Seiten gebe. Auf den ersten Blick scheine es zwar, als würden «integralistische» Handlungsweisen überwiegen. Es werde aber auch das Bemühen um Frieden stärker - «und zwar gerade angesichts der Brutalität und des Schmerzes und im Bewusstsein, dass der Dialog der einzige Ausweg aus der Krise ist».
Manche christliche Palästinenser hielten den jetzigen Aufstand nach den traditionellen Kriterien des gerechten Krieges für nicht gerechtfertigt. Andere seien überzeugt, dass das Recht eines unter Besatzung leidenden Volkes auf einen Aufstand unantastbar sei. Alle jedoch klagten über die Gewalt gegen Zivilisten und wünschten eine friedliche und gerechte Neugestaltung der Region, die auf der gegenseitigen Anerkennung zweier Nationen basiere, die in ihrer Würde und in ihrem Recht auf ein Leben in Sicherheit auf gleicher Ebene stehen.
Die politisch Verantwortlichen beider Seiten sollten die eigenen Mitbürger von der Notwendigkeit einer Wiederaufnahme der Gespräche überzeugen, betonte P. Jaeger. Freilich sei dies «eine Aufgabe, die durch den Volkszorn auf der einen und auf der anderen Seite angesichts der wachsenden Verluste an Menschenleben erschwert wird». Arafat müsse seinen Leuten klarmachen, dass die Opfer - über 300 Tote, tausende Verletzte, zerstörte Wohnungen, große wirtschaftliche Verluste - nicht umsonst gewesen seien, sondern einen wirksameren Dialog herbeigeführt und das Volk der Unabhängigkeit näher gebracht hätten. Barak hingegen müsse die Israelis überzeugen, dass man den Palästinensern Glauben schenken könne, wenn sie das Existenzrecht Israels innerhalb sicherer Grenzen anerkennen wollen.
Die Lösung sieht Jaeger in dem bereits durch Indiskretionen an die israelische Presse gelangten Vertrag, der einen israelischen Rückzug aus den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten vorsieht, mit einigen Ausnahmen für die Siedlungen entlang der israelischen Grenze. Diese könnten im Tausch gegen andere an den Gazastreifen angrenzende Territorien Israel angeschlossen werden. Was Jerusalem anbelange, so sollten die nach 1967 entstandenen israelischen Siedlungen dem israelischen Staat einverleibt werden, die palästinensischen Stadtviertel sollten hingegen zum palästinensischen Staat gehören. Innerhalb der Stadtmauern sollten gemäß dem Vertragsentwurf die muslimischen Heiligtümern von den muslimischen Gläubigen verwaltet werden, während die Westmauer und das jüdische Viertel zu Israel gehören sollten. Diese Vereinbarungen, die implizit bereits in den Oslo-Verträgen enthalten waren, seien auch beim Gipfel in Camp David im Juli dieses Jahres ausdrücklich zur Sprache gekommen.
Damit dieses bilaterale Abkommen zwischen Israel und Palästina volle Legitimität erhält, müsste es von einem international garantierten Spezialstatut für Jerusalem ergänzt werden, forderte P. Jaeger. Dieses Statut müsse der universalen Bedeutung der Stadt und ihrer religiösen und kulturellen Dimension Rechnung tragen. Der Franziskaner erinnerte daran, dass die Palästinenser eine solche Position bereits in ihrem «Grundlagenvertrag» mit dem Heiligen Stuhl vom 15. Februar befürwortet hätten. Und auch Israel könnte eine solche Position «ruhigen Gewissens gutheißen, da sie den israelischen Vorschlägen aus dem Jahr 1949 entspricht».
Melkiten-Patriarch: «Unsere Kirche ist arabisch»
Mittlerweile hat sich auch der neue melkitische Patriarch Gregorios III. Laham solidarisch mit dem Kampf der arabischen Welt für Palästina erklärt, berichtete die libanesische Tageszeitung «L'Orient-Le Jour». Bei seiner ersten Patriarchalmesse am Patriarchatssitz, der Peter-und-Paul-Kathedrale im libanesischen Harissa, plädierte Laham für die «Wiederherstellung unserer geraubten Rechte in Palästina, am Golan und im Libanon. Unsere Kirche ist solidarisch mit der arabischen Welt, weil wir Araber sind und unsere Kirche arabisch ist», so Laham wörtlich.
Kathpress
5. desember 2000