In der Geburtsstadt Jesu konnte heuer zu Weihnachten keine Festtagsstimmung aufkommen
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Christoph Strack
Jerusalem, 26.12.00 (KAP) Der Heilige Abend und der Christtag verliefen in Bethlehem ohne laute Festtagsstimmung, aber friedlich und ohne Zwischenfälle. Nicht nur die gespannte Lage in der Region war verantwortlich für die Tristesse in der Geburtsstadt Jesu. Kräftiger Dauerregen spülte jeden Hauch von Stimmung aus den Straßen des Ortes und vom zentralen Krippenplatz. Die Christmette in der überfüllten katholischen Katharinenkirche war jedenfalls der Höhepunkt der Feiern.
Dabei hatte am Mittag des 24. Dezember alles so symbolisch begonnen. Ein Regenbogen wölbte sich über der Szene, als der lateinische Patriarch Michel Sabbah, aus Jerusalem kommend, an Rachels Grab eintraf. Seit Wochen blockieren Israels Soldaten die Straße an diesem umstrittenen Ort. Das Pflaster ist aufgebrochen von Straßenschlachten, noch Samstag fielen hier nach Angaben eines Armeesprechers Schüsse. Nun erwarteten vor laufenden Kameras die traditionelle offizielle Delegation aus Bethlehem den Patriarchen. "Wir betreten eine Stadt, die belagert ist", sagte er. Mit Tränen in den Augen fielen Palästinenserinnen im Festtagskostüm ihrem Patriarchen um den Hals - umringt von Soldaten, die in einer Mischung von Nervosität und Coolness die Finger am Abzug ihrer Maschinenpistolen behielten. Nur schwer ließ sich noch das zerschossene Schild wenige Meter weiter entziffern: "und Friede auf Erden".
Der junge Jerusalemer Youssef brachte die Stimmung der lokalen Christen auf den Punkt: "Im vorigen Jahr feierten wir zwischen Besuchern von überall, diesmal zwischen Soldaten und Raketen. Dieses Fest mit den Gästen aus aller Welt ist für uns so wichtig. Nur so können wir richtig Weihnachten feiern, in vielen Sprachen, und unseren Landsleuten zeigen, dass wir Christen da sind". Da passte es, dass trotz der Absage aller öffentlichen Feiern hunderte christliche palästinensische Pfadfinder in Uniform den Patriarchen am Rande der Innenstadt erwarteten. Unter gelegentlichem Beifall und weihnachtlichem Gesang zogen sie zu Fuß zum Krippenplatz. Der bald im Regen versank. Da bevölkerten ihn nur noch palästinensische Sicherheitskräfte, die aber zahlreich.
Denn am Abend fuhr der Prunk-Mercedes des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat, der seit Beginn der neuen Unruhen Ende September kaum mehr in der Westbank war, vor der Geburtsbasilika vor. Als er vor dem jubelnden "Gloria"-Gesang die benachbarte Katharinenkirche betrat, ging ein Raunen durch die Menge, brandete zum einzigen Mal während der knapp dreistündigen Feier Beifall auf. Auch für Arafat war die Predigt Sabbahs sicher eine politische Botschaft: Dass die Christen im Herzen der palästinensischen Gesellschaft stünden, betonte der Patriarch und kritisierte jeden Exodus: "Hier will uns Gott haben, nicht irgendwo auf Erden". Präsident und Patriarch tauschten den Friedensgruß; dann entschwand Arafat in der Traube der Bodyguards.
Trotz der jüngsten Gewalt - einige hundert Christen aus dem Ausland sind doch gekommen. Wie Arthur aus Australien, der dann zu Silvester in Rom sein will. Oder jener unruhige Geist aus Kalifornien, der seinen Solidaritätsaufenthalt im türkischen Teil Kurdistans unterbrochen hat, um nun hier Solidarität zu zeigen. In der Nacht blieb es friedlich in Bethlehem - aber auch traurig. Gegen zwei Uhr sitzt Maher mit drei Gästen in seinem Restaurant gegenüber der Kirche. Ein Prozent des Umsatzes vom Vorjahr habe er vielleicht gemacht, meint er. Die Gäste pflichten bei. Ja, 1999 sei das schönste Weihnachten überhaupt gewesen.
Kriegsszenen statt Krippenspiel
Die Krise im Nahen Osten hat die Stadt Bethlehem ins Mark getroffen. Mit ihrer Grenzlage zum israelischen Gebiet wurden die Vororte Bethlehems fast zur Frontlinie. Raketenangriffe israelischer Helikopter zerstörten in Beit Jala zahlreiche Häuser, der deutsche Arzt Harald Fischer starb im Granatenhagel. Einer von 15, den Bethlehems Palästinenser nun als "Märtyrer" verehren. "Das ist unsere Opferung", sagt Youssef, der nahe beim umkämpften Rachel-Grab wohnt und, wie er sagt, einfach nur Angst um seinen Sohn hat. Kriegsszenen statt Krippenspiel.
Erst während der vergangenen zehn Tage entspannte sich die Situation ein wenig. Doch der Tourismus, von dem Bethlehem lebt, ist tot. So wirkt die Stadt, die im Heiligen Jahr 1,5 Millionen Pilger anziehen wollte, trostlos. Bürgermeister Hanna Nasser beziffert die Arbeitslosenquote auf weit über 50 Prozent. Die wirtschaftliche Situation sei zum Verzweifeln. Denn Arbeitslosigkeit in Palästina ist mit einem mitteleuropäischem Schicksal nicht zu vergleichen: Kaum Versicherungssysteme, kein soziales Netz. Wer als Souvenirverkäufer oder im Hotelwesen arbeitete, ist auf Hilfe von Familie oder Wohlfahrtsstellen angewiesen.
Trostlos sah es auch auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche aus, nur vereinzelte Kamerateams suchten nach Motiven. Die Stadt zeigte sich diesmal so gar nicht weihnachtlich geschmückt. Gefeiert wurde am Heiligen Abend, doch nur in den Kirchen.
Kathpress
26. desember 2000