Die Taufstelle Jesu am Ostufer des Jordan mit ihren frühchristlichen Ausgrabungen soll ein neues Pilgerzentrum werden
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Monika Prangemeier
Amman, 3.1.01 (KAP) «Wir stehen hier am niedrigsten Punkt der Erde, sind aber gleichzeitig dem Himmel am nächsten», sagt Rustom Mkhjian, Leiter der erst seit wenigen Monaten für Besucher zugänglichen Ausgrabungsstätte an der Taufstelle Jesu in Jordanien. «Hier zeigte sich zum ersten Mal die Dreifaltigkeit», erzählt der armenische Christ so lebendig, als wäre er selbst dabei gewesen. Aber auch schon zu Zeiten des Alten Testamentes habe hier «der Himmel die Erde berührt», als nämlich der Prophet Elias «im Wirbelsturm» gen Himmel fuhr, sagt Mkhjian mit einer für einen Ingenieur überraschenden Begeisterung.
Vor vier Jahren erst wurden die Ausgrabungen am Ostufer des Jordan begonnen, seitdem hat der Wissenschaftler sein Herz der «einzig richtigen» Taufstelle Jesu verschrieben. Während es an der auf dem anderen Jordanufer liegenden traditionellen Pilgerstätte in Israel überhaupt keine archäologischen Funde gebe, habe man hier, im ehemaligen militärischen Sperrgebiet, Reste von mindestens neun frühchristlichen Kirchen, Klosteranlagen und Taufbecken entdeckt - Zeichen einer bis ins 4. Jahrhundert zurückgehenden Verehrung für diese Stätte in Jordanien.
Auch rein geographisch mache es Sinn, dass sich Johannes der Täufer an diese Stelle zurückgezogen habe, um zu predigen und zu taufen. «Er hatte hier Wasser, nämlich die Quelle vom Wadi El Kharrar; zudem gab es Wild und eine besondere Pflanzenart, die wilde Bienen anzieht», erzählt der Ausgrabungsleiter. Dies mache die Bibelstelle plausibel, dass sich Johannes von Heuschrecken und wildem Honig ernährte. Nicht zuletzt seien unzählige Karawanen auf der alten römischen Straße genau hier vorbeigekommen, um auf dem Weg nach Jerusalem an dieser Stelle den Jordan zu überqueren.
Einleuchtend ist auch, dass Johannes nicht direkt im Jordan getauft hat, der zu biblischen Zeiten ein reißender Fluss von 200 bis 300 Metern Breite gewesen sei und mit dem vielleicht fünf Meter breiten schlammtrüben Rinnsal von heute gar nicht zu vergleichen ist. Vielmehr ging der Heilige Johannes einige hundert Meter weit vom Jordan weg und machte sich das dort fließende reine Quellwasser einer Oase zu Nutze. Dennoch wurden die ersten beiden Kirchen wohl direkt am Flussufer des Jordan errichtet. Erst wiederholte Zerstörungen durch Überschwemmungen veranlassten den Bau eines weiteren Gotteshauses auf dem so genannten Elias-Hügel. Diese Kirche wurde später mit einem Kloster überbaut. Breite Steinstufen führten zu einem gemauerten Taufbecken von der Größe eines kleinen Swimmingpools. Indiz dafür, dass schon in frühchristlicher Zeit Pilger die Taufe nachempfinden wollten.
110 Mitarbeiter bemühen sich unter Leitung von Mkhjian und Mohammad Waheeb, dem eigentlichen «Entdecker» der Taufstelle, um die weitere Freilegung der Bauwerke, von denen einige sogar bis in die Zeit Jesu zurückreichen. Sorgfältig wird Erde abgetragen und gesiebt, um auch das kleinste Stückchen archäologischer Reste zu finden. Vorsichtig fegt Mkhjian den Sand vom Teil eines frühchristlichen Bodenmosaiks. Nur ein kurzer Blick ist erlaubt, dann schiebt er den schützenden Sand zurück. «Wir wissen noch nicht genau, wie wir die Stätte hier für die Nachwelt konservieren können», sagt Mkhjian.
Besonders stolz ist der Wissenschaftler auf das neu angelegte «Taufbecken» in der Nähe des Jordanufers. «Hier sollen auch heute wieder Kinder oder auch Erwachsene getauft werden können», erzählt er. Zwar fehlt eine Infrastruktur wie Besucherzentrum, Restaurant und auch der obligate Souvenirshop noch, dennoch hofft Mkhjian auf zahlreiche Pilger. «Aber leiden wir unter den gegenwärtigen Spannungen im Heiligen Land, denn viele verwechseln das Westjordanland mit Jordanien oder meinen einfach, die ganze Region sei von der Gewalt gekennzeichnet», klagt der Wissenschaftler. Aber er hofft, dass sich am 7. Jänner - wenn die Katholiken die Taufe Jesu feiern - doch viele Pilger am Jordan einfinden werden.
Kathpress
3. januar 2001