Lateinischer Patriarch: Politischen und religiösen Aspekt in der Jerusalemfrage unterscheiden - Präsenz der Christen in der Stadt muss gesichert bleiben
London, 25.1.01 (KAP) Die heutige Gewalt in Jerusalem steht nach Ansicht des Lateinischen Patriarchen Michel Sabbah in vollem Widerspruch zur "Berufung" und zum Charakter der Heiligen Stadt. Jerusalem sollte eine Stadt der Versöhnung sein, heute sei sie eine "Stadt des Unfriedens", sagte Sabbah, der auch Präsident der internationalen katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" ist, bei einem Symposion in London. Ausdrücklich unterschied er dabei zwischen dem politischen und dem religiösen Aspekt der Jerusalemfrage.
Die "politische Knoten" der Jerusalemfrage müsse von den betroffenen Parteien, von Israelis und Palästinensern, durch den Abbau aller Formen von Unterdrückung und Besatzung und auf Grundlage der internationalen Resolutionen gelöst werden. "Unter diesem Aspekt kann das Ost-Jerusalem von 1967 Hauptstadt von Palästina sein und West-Jerusalem die von Israel", sagte der Patriarch.
Was die religiöse Seite betrifft, plädierte Sabbah für einen "Sonderweg". Politiker wie Religionsführer müssten der Heiligkeit der Stadt als Erbe der Menschheit Rechnung tragen. Dazu gehörten "zivilen und religiösen Rechte und die Freiheit des Kultes und des Zugangs zu den Heiligen Stätten in Friedens- wie in Kriegszeiten". Gesichert werden sollte dies durch ein von der internationalen Gemeinschaft anerkanntes Sonderstatut. "Das bedeutet nicht, die Stadt zu internationalisieren und sie der legitimen Kontrolle der örtlichen Regierungen zu entziehen", stellte Sabbah klar.
Für die Christen in Jerusalem forderte Sabbah Religions- und Lebensfreiheit, mit gleichen Chancen und Rechten für alle. Die Christen verlangten keine Privilegien oder einen besonderen Schutz, sie seien Bürger wie allen anderen auch. Der einzig gültige Schutz für alle, für Juden , Muslime und Christen bestehe in der Schaffung gerechter, nicht diskriminierender Gesetze. "Die Natur und die göttliche Berufung Jerusalems lassen keine Diskriminierung und keine Exklusivität zu", so der Patriarch.
Er erinnerte daran, dass die Christen 1922 in Jerusalem 51 Prozent der Bevölkerung ausmachten, 1947 noch ein Drittel und heute noch zwei Prozent. Angesichts der Abwanderung vieler Christen mahnte er: "Auch wenn die politische Instabilität das tägliche Leben schwieriger macht, müssen die Christen sich ihrer Identität und Mission bewusst sein und bleiben." Er schloss mit dem Hoffnungsappell, eines Tages werde der Konflikt zu Ende gehen, das christliche Leben aber bleibe ein Kampf für Nächstenliebe und "für ökumenischen Geist, interreligiösen Dialog, Gerechtigkeit und Frieden".
Kathpress
25. januar 2001