Ausbildungs- und Forschungszentrum für den christlich-jüdischen Dialog soll den Studienbetrieb vorübergehend einstellen
Rom-Jerusalem, 12.6.01 (KAP) Das "Ratisbonne"-Ausbildungs- und Forschungszentrum für christlich-jüdischen Dialog in Jerusalem steht möglicherweise vor dem Aus. Ab September, so hört man in Rom und Jerusalem, soll das Päpstliche Institut für voraussichtlich zwei Jahre seinen Studienbetrieb einstellen. Ursache sind wirtschaftliche und strukturelle Probleme. Die Dozenten wurden bereits entlassen, die rund 20 Studenten des zweiten Studienjahres stehen auf der Straße.
Rund 35 Studenten und Akademiker absolvieren in den trutzig wirkenden Sandsteingebäude nahe dem Jerusalemer Geschäftszentrum eine zweijährige Zusatz-Ausbildung in Judaistik. Seitens der katholischen Kirche ist das "Ratisbonne"-Institut in Jerusalem "das" Zentrum zur Ausbildung für den Dialog mit dem Judentum. Die wissenschaftlichen Ansprüche sind hoch, ab dem zweiten Studienjahr findet der Lehrbetrieb auf Ivrit (Neuhebräisch) statt. Das Jerusalemer Institut ist ein Pendant zu den päpstlichen "Dialog-Instituten" in Rom, etwa dem PISAI, das sich dem Gespräch mit dem Islam widmet.
Das in der Jerusalemer Neustadt gelegene "Ratisbonne"-Institut spielte aber auch im politischen Bereich eine wichtige Rolle: Ein Teil der politischen Gespräche zur Normalisierung der vatikanisch-israelischen Beziehungen fanden hier statt.
Wie andere kirchliche Institutionen so hatte auch das "Ratisbonne"-Institut in den vergangenen Jahren Finanzsorgen. Es fanden sich nicht genügend Sponsoren, die den Forschungsbetrieb finanzieren könnten, insbesondere die Gehälter für die fünf festen Professoren, die neun Ständigen Dozenten und die 14 Lehrbeauftragten - meist Gast-Professoren von der Hebräischen Universität. Dann erhielt ein amerikanischer Professor und Bibelwissenschaftler von der Catholic Near East Welfare Agency - einem amerikanischen Hilfswerk für Nahost - den Auftrag zu einer Grundsatzstudie. Darin soll unter anderem von einer ungenügenden akademischen Qualifikation des Lehrkörpers die Rede sein - 18 der 28 Dozenten haben einen Doktortitel oder eine Professur. Als Lösung wurde offensichtlich eine Anbindung an eine amerikanische Universität vorgeschlagen.
Die Informationen über eine zeitweise Schließung des "Ratisbonne"-Instituts haben unter den Betroffenen, aber auch in kirchlichen Kreisen Jerusalems Verwunderung ausgelöst. Kenner bemängeln, dass die Studie sich vor allem auf den scheidenden "Ratisbonne"-Rektor, Jacques Briend, stützt, dass andere kompetente und zuständige Instanzen und Personen nicht gehört wurden. "Wenn 'Ratisbonne' schließt, wäre das ein schwerer Schlag für die christlich-jüdische Forschungsarbeit in Jerusalem", heißt es in Jerusalem. Die "wissenschaftlichen und atmosphärischen Grundlagen in Israel für die vatikanisch-israelische Verständigungsarbeit würden annulliert". Im übrigen würden die Studenten vermutlich an die Hebräische Universität abwandern, die katholische Kirche würde sich vorübergehend in Jerusalem aus dieser akademischen jüdisch-christlichen Aufbauarbeit ausklinken.
Kathpress
12. juni 2001