Weil der Vatikan erweiterte Akteneinsicht verweigerte, legte 1999 eingesetzte Kommission ihre Tätigkeit ohne Abschlussbericht nieder =
New York, 24.7.01 (KAP) Die jüdisch-katholische Historiker-Kommission zur Untersuchung der Rolle Papst Pius XII. und des Vatikans während des Holocaust hat ihre Arbeit eingestellt. Als Begründung nannte der Vorsitzende des Internationalen Jüdischen Komitees für Interreligiöse Kontakte (IJCIC), Seymour Reich, in einer am Montagabend (Ortszeit) in New York veröffentlichten Erklärung "fehlende positive Resonanz" des Vatikans. Die Kommission habe trotz dringender Bitten keinen Zugang zu wichtigen Vatikan-Akten seit 1923 erhalten.
Die ursprünglich sechsköpfige Kommission, die zuletzt noch aus drei jüdischen und zwei katholischen Historikern bestand, war Ende 1999 gemeinsam vom IJCIC und der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum benannt worden. Nach Durchsicht der elf zwischen 1965 und 1981 vom Vatikan veröffentlichen Dokumentationsbände hatten die Historiker im Oktober ohne Abstimmung mit den Vatikanbehörden öffentlich weitere Akteneinsicht verlangt.
Ende Juni hatte der zuständige Kurienkardinal Walter Kasper laut Presseberichten in einem Brief darauf verwiesen, dass die Akten aus "technischen Gründen" nicht zugänglich seien. Zugleich habe er der Kommission als Kompromiss Gespräche mit dem Postulator für den laufenden Seligsprechungsprozess Papst Pius XII., P. Peter Gumpel SJ, angeboten und einen abschließenden Bericht auf der Basis des gesichteten Materials angeregt.
"Tiefe Enttäuschung"
In einem nun veröffentlichten Schreiben an Kasper vom 20. Juli betonte die Kommission, sie könne ohne weitere Akteneinsicht "angesichts so vieler Stimmen von Katholiken, Juden und anderen, die den Zugang zu weiterem Archivmaterial fordern", ihre Glaubwürdigkeit nicht aufrechterhalten. Auch sei man unter diesen Umständen nicht in der Lage, einen Abschlussbericht vorzulegen. Daher sehe sich die Kommission gezwungen, ihre Arbeit einzustellen. In der IJCIC-Erklärung äußerte Reich "tiefe Enttäuschung" darüber, dass der Vatikan sich weigere, ein sogar teils von ihm selbst eingesetztes Forschergremium in seiner Arbeit zu unterstützen.
Laut einem Bericht der amerikanischen Tageszeitung "Washington Post" hatte kürzlich der US-Ökumene-Experte Eugene Fisher vor der Bischofskonferenz des Landes erklärt, der Vatikan habe nur zwei Archivare, die die Dokumente katalogisieren. Die fraglichen Jahrgänge seien noch nicht erfasst und daher nicht zugänglich. Ein katholisches Mitglied der Kommission, der amerikanische Kirchenhistoriker Gerald P. Fogarty, hatte laut den Berichten bezweifelt, dass der Vatikan Dokumente zurückhalte, die den laufenden Seligsprechungsprozess Pius XII. behindern könnten. Dennoch sei er sicher, dass viele vatikanische Positionen durch die ungesichteten Akten in neuem Licht erscheinen würden. (Ende)
24.07.2001 13:55
K200104593
KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste)
24. juli 2001