Christlicher "Solidaritätskonvoi für Bethlehem" konnte die Abriegelung der Geburtsstadt Jesu überwinden
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ulrich W. Sahm
Jerusalem, 24.10.01 (KAP) Rund 300 - meist ausländische - Christen trafen sich am Dienstagmorgen beim päpstlichen Tantur-Institut vor dem israelischen Check-Point, um an einem "Solidaritätskonvoi für Bethlehem" teilzunehmen. Allen voran die schwarzen Limousinen mit Diplomatennummern der Kirchenführer. Nuntius Pietro Sambi, Vertreter des Vatikans in Israel und Palästina, verlas vor den zahlreich vertretenen Fernsehkameras eine auch schriftlich ausgeteilte Botschaft: Der Solidaritätskonvoi gehe von Jerusalem nach Bethlehem mit einer "Botschaft des Friedens". Er wolle Solidarität mit den "Menschen von Bethlehem angesichts der israelischen Besatzung" zeigen und zu einem "sofortigen Ende" der Intervention auffordern.
Der Konvoi fuhr an dem zu einer Militärfestung verwandelten Grab der Rachel vorbei in Richtung Geburtskirche. Die ersten zwei Kilometer der Straße waren von den israelischen Panzerketten deutlich gezeichnet. Das "Paradise Hotel", einst ein internationaler Treffpunkt: zur Hälfte verkohlt. Die Fensterscheiben der einstigen Nobelherberge gleichen nun zackigen Weihnachtssternen. Einige Menschen standen an den Straßen vor verriegelten Läden und winkten. Der Konvoi bescherte ihnen immerhin einige Stunden Ruhe, weil weder Israelis noch Palästinenser es wagten, die Journalisten und Diplomaten zu beschießen.
Auf dem Krippenplatz herrschte wegen der ausländischen Gäste fröhliches Treiben wie schon seit Monaten nicht mehr. Aber noch frisch ist der Schock über den Todes eines 19-jährigen Christen, der hier durch eine israelische Kugel von einem weit entfernten Hügel getroffen wurde. Um die noch sichtbare Blutlache waren einige Steine gestellt. Eine deutsche Ordensfrau meinte: "Endlich beobachten Journalisten, was hier passiert". Als ein Journalist fragte, ob christliche Würdenträger auch demonstriert hätten, als in der Pizzeria in Jerusalem oder vor der Discothek in Tel Aviv Selbstmordattentäter israelische Jugendliche in den Tod gerissen hatten, wandte sie sich ab.
Ein Vertreter der Nuntiatur meinte: "Wir Kirchen haben niemals Gewalt befürwortet!" Es sei aber doch verständlich, dass die mehrheitlich palästinensischen Christen zunächst vor allem "ihre eigene Umgebung" sähen. Zudem "terrorisieren die Israelis ganze Dörfer", so der priesterliche Diplomat. Ein Benediktiner der Jerusalemer Abtei Dormitio schwieg betreten. Dann sagte er: "Der Konflikt dauert an, weil alle Menschen hier auf einem Auge blind sind. Wir Christen können eigentlich gar nicht vermitteln, wenn wir uns so deutlich nur mit einer Seite solidarisieren". Leiden, so meinte er, würden auch die Israelis.
Während die christlichen Demonstranten die Geburtskirche besuchten, weist eine Frau aus Bethlehem auf die Katharinen-Kirche nebenan. Am Sonntag, während des Gottesdienstes, sei eine israelische Kugel durch ein Kirchenfenster eingeschlagen und eine zweite durch die Tür. Schaden oder Verletzte habe es keine gegeben. "Nein, die Geburtskirche selbst wurde nicht getroffen", meinte die Frau und dementierte damit eine Aussage des Bürgermeisters von Bethlehem, Hanna Nasser, nach der überall in der Geburtskirche Kugeln verstreut gewesen seien.
Nach einem Gebet in der Geburtskirche fuhr der Konvoi weiter nach Beit Jala, einer christlichen Kleinstadt, die seit Monaten unter Beschuss steht, weil von dort aus offenbar auf jüdische Wohnviertel im Süden Jerusalems - Gilo - geschossen wird. Ziel der Fahrt war das Priesterseminar des lateinischen Patriarchats. In der Nähe soll es in den Mittagsstunden bereits wieder Gefechte in einem Flüchtlingslager gegeben haben.
Kathpress
24. oktober 2001