Mainz, 2.11.01 (KAP) Die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe nach Palästina hat der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, gefordert. "Zumindest zu Beginn sollte es eine Friedenstruppe, eine Schutztruppe sein, die den Weg und den Rahmen für ernsthafte und neue Verhandlungen vorbereitet", sagte er am Freitag in einem Interview mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Der israelisch-palästinensische Konflikt sei in Wahrheit ein internationales Problem, da die internationale Gemeinschaft "bei der Geburt, dem Aufbau, der Überlebenssicherung und dem Schutz Israels" immer dabei gewesen sei. Deshalb müsse sich die internationale Gemeinschaft endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und eingreifen. Sabbah - der Präsident von "Pax Christi" ist - hält sich anlässlich des internationalen Kongresses der katholischen Friedensbewegung in Mainz auf.
Dringend müssten internationale Beobachter entsendet werden, die den Israelis die notwendige Sicherheit geben und den Palästinensern den dringend benötigten Schutz garantieren könnten, betonte der Patriarch. Insbesondere müssten militärische Aktionen beider Seiten verhindert werden. Die internationale Gemeinschaft müssen den Mut haben, beiden Seiten klar zu sagen, was zu tun sei, um die Gewalt zu beenden "und eine neue Ära der Gerechtigkeit zu schaffen". Unter Israels Premierminister Ariel Scharon sieht Sabbah keine großen Chancen für eine Lösung. Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass sich Scharon von einem Hardliner zu einem Friedensstifter entwickle. Deshalb werde es künftig eher noch mehr Gewalt geben, wenn nicht die internationale Gemeinschaft eingreife, unterstrich der Erzbischof.
Für Einstellung der Angriffe auf Afghanistan
Für Sabbah steht der israelisch-palästinensische Konflikt in einem direkten Zusammenhang mit den Terrorangriffen auf die USA vom 11. September. Das Schicksal der Palästinenser werde von allen Arabern und allen Muslimen als Ungerechtigkeit empfunden. Deshalb lehne die arabisch-muslimische Welt die USA als Helfer Israels ab. Wenn also Amerika ein gutes Verhältnis zur arabischen Welt haben wolle, müsse Washington das Palästina-Problem lösen und sich für Gerechtigkeit für alle einsetzen.
Weiter plädierte der Patriarch für ein sofortiges Ende der britisch-amerikanischen Angriffe auf Afghanistan. "Man kann nicht Terrorismus mit einem Krieg bekämpfen", sagte der Patriarch. Der Terrorismus sei eine neue Art der Kriegführung, auf die man "in einer neuen Weise" reagieren müsse. Dieses "Neue" müsse aber mit einem "Nachdenken über das Verhältnis zwischen den USA und anderen Völkern beginnen". Immer noch würden internationale Beziehungen von den Interessen einzelner mächtiger Staaten bestimmt. So müssten die USA ihr politisches System ändern und sich für eine Neue Weltordnung einsetzen, die allen Menschen und Nationen ein Leben in Gerechtigkeit und Menschenwürde erlaube.
"Trauriges Weihnachten in Bethlehem"
Angesichts der Weltlage erwartet der Patriarch für Bethlehem "ein trauriges Weihnachtsfest". Sein Weihnachtswunsch sei es, dass sich das israelische Volk die Frage stelle, warum es seiner Führung nicht gelingt, Frieden zu schaffen. Das Volk müsse seine Regierung unter Druck setzen, um Sicherheit für alle zu erreichen. Derzeit hätten die Palästinenser nur 22 Prozent der ihnen zustehenden Gebiete, so Sabbah. "Frieden ist möglich, Frieden ist einfach - wo es einen einen echten Willen gibt, gibt es für alles einen Weg", so der Patriarch. Dies sei jedoch bis Weihnachten nicht zu erreichen. "So wird es also ein trauriges Weihnachten geben; wir werden für den Frieden beten", sagte Sabbah.
Kathpress
2. november 2001