Kritik von Rabbiner Rosen an Haltung der internatonalen katholischen Friedensbewegung - "Missbrauch der Religion von islamischer Seite wird in den 'Pax Christi'-Dokumenten nicht einmal thematisiert"
Brüssel-Jerusalem, 17.12.01 (KAP) Die internationale katholische Friedensbewegung "Pax Christi" hat den UNO-Sicherheitsrat zu neuen Initiativen für ein Ende der Gewalt im Nahen Osten aufgerufen. Beide Seiten müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren, heißt es in einem am Montag in Brüssel veröffentlichten Schreiben von "Pax Christi" an den Weltsicherheitsrat. Das Gremium müsse eine internationale Beobachterkommission einsetzen, um für ein Ende der Gewalt in der Region zu sorgen.
An die Führer Israels und der Palästinenser appelliert die katholische Friedensbewegung, auf Gewalt und Vergeltung zu verzichten. Es könnten weder ein Sieg noch Sicherheit durch gewalttätige Maßnahmen erzielt werden. Nur völkerrechtlich verbindliche Verhandlungen würden zu einem dauerhaften und gerechten Frieden führen.
Irritation von jüdischer Seite
Das Engagement von "Pax Christi" für einen Frieden im Heiligen Land hatte vor kurzem zu Irritationen auf jüdischer Seite geführt. Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, ist seit 1999 Präsident von "Pax Christi". Im Februar 2001 hatte eine Delegation der Bewegung unter Führung des niederländischen Bischofs Adriaan von Luyn das Heilige Land besucht und im Anschluss daran ein ausführliches Dokument über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern veröffentlicht.
Rabbiner David Rosen, Direktor für Interreligiöse Beziehungen des American Jewish Committee in Jerusalem, führte in einem Brief an Sabbah Beschwerde über dieses Dokument. Es verstärke die skeptischen Vorbehalte, "die in der jüdischen Gemeinschaft ohnehin im Blick auf den Anspruch dieser Organisation bestehen, um das Wohlergehen von Israelis ebenso besorgt zu sein wie um das von Palästinensern". Aussagen des "Pax Christi"-Berichts zum Scheitern der Friedensverhandlungen von Camp David, zum Beginn der neuen Intifada und zum Siedlungs- und Flüchtlingsproblem seien zu israelkritisch und palästinenserfreundlich, so die Einschätzung Rosens.
Vor allem aber hält der Rabbiner der katholischen Friedensbewegung vor, zentrale religiöse Aspekte der Lage übersehe. Palästinenserpräsident Yassir Arafat leugne "jede historische, religiöse und kulturelle Bindung der Juden an Jerusalem". Diese Sicht sei sowohl von den palästinensischen Medien als auch von den religiösen muslimischen Führern einschließlich des Großmufti von Jerusalem "offen geäußert und unterstützt worden". Mit der Leugnung der Bindung der Juden an Jerusalem werde implizit auch die Grundlage der Geschichte des Christentums geleugnet, betonte Rosen.
Die Nichtbeachtung der "heimtückischen Implikationen dieser Leugnung" von katholischer Seite sei erschreckend, schrieb der Rabbiner an den Patriarchen. Weiters übte er Kritik an der Aussage des "Pax Christi"-Dokuments, es gebe auf israelischer wie auf palästinensischer Seite den "Missbrauch des religiösen Unterrichts und der religiösen Leidenschaft, um Hass zu erzeugen und zur Gewalt gegen andere aufzureizen". Selbst in militanten jüdischen Kreisen und ihren Synagogen werde nicht dazu aufgerufen, andere wegen ihrer Nationalität oder Religion zu ermorden; schon gar nicht werde zu Selbstmordattentaten aufgerufen, unter Hinweis auf himmlischen Lohn des Martyriums.
Genau das sei aber regelmäßig von muslimischen Predigern im Westjordanland und im Gaza-Streifen zu hören, und auch in palästinensischen Medien. Er finde es äußerst erstaunlich, dass dieser "ganz schreckliche und unvergleichliche Missbrauch der Religion" in dem "Pax Christi"-Bericht nicht einmal erwähnt werde, so der Rabbiner. Eine offizielle Reaktion von Patriarch Sabbah oder "Pax Christi" auf diese Vorhaltung liegt bisher nicht vor.
Kathpress
17. desember 2001