Sicherheit für Israel und Staat für die Palästinenser - Der Papst und die Kurie sind in Sorge um die Präsenz der christlichen Gemeinden im Heiligen Land
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Vatikanstadt, 17.12.01 (KAP) "Neue Wege" bei der Suche nach einer friedlichen Lösung des "schon zu lange dauernden Nahost-Konflikts" hat der Vatikan zum Abschluss seines Krisengipfels für das Heilige Land gefordert. Mit überraschender Klarheit und ohne viele diplomatische Verbrämungen präzisierte er zugleich in einem Fünf-Punkte-Plan seine Kriterien für einen gerechten Frieden in der Region: "Sicherheit des Staates Israel, Gründung eines Staats für das palästinensische Volk, Räumung der besetzten Gebiete, ein international garantiertes Sonderstatut für die heiligsten Teile Jerusalems, eine gerechte Lösung für die Palästina-Flüchtlinge". Nur wenn diese fundamentalen Themen respektiert würden, sei ein Friede zwischen Israelis und Palästinensern realisierbar, hieß es in der von Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls verbreiteten Schlusserklärung. Zugleich bat der Vatikan die internationale Gemeinschaft um eine aktivere Rolle in der Region.
Während sich die Situation im Nahen Osten auf dramatische Weise zuspitzt, tagte im Vatikan der schon seit längerem anberaumte Kirchengipfel über die "Zukunft der Christen im Heiligen Land". Zusammen mit sieben katholischen Bischöfen unterschiedlicher Riten aus dem Heiligen Land, sieben Kurienexperten und sieben Vertretern aus Weltkirche und Vatikan-Diplomatie wollte der Papst einen oft vergessenen Aspekt des Nahost-Konflikts in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken: Die Christen im Heiligen Land drohten zwischen "zwei unterschiedlichen Extremismen" zerrieben, lautete die Analyse des Papstes.
Im arabisch-israelischen und jüdisch-islamischen Konflikt, angesichts von islamischem Fundamentalismus, von Terrorattentaten und israelischen Gegenschlägen sei die christliche Minderheit besonders betroffen. Wie die anderen Palästinenser leiden die arabischen Christen unter den Folgen der israelischen Besatzung, der Absperrungen, der hohen Arbeitslosigkeit. Aber auf Grund der anderen Religion gelten sie bei der muslimischen Mehrheit oft als unsichere Kantonisten, was wiederum nicht wenige Christen veranlasst, sich besonders "palästinensisch-patriotisch" zu profilieren. Unter dem doppelten Druck sind bereits viele christliche Familien ausgewandert. Der Exodus hat für die Kirche bedenkliche Auswirkungen.
Die Präsenz des Christentums und der "lebendigen christlichen Gemeinden" müsse im Heiligen Land unbedingt gewahrt bleiben, war die erste Forderung der Krisengipfel. Die betroffenen Christen sollten in ihrer Heimat bleiben, die Weltkirche sollte ihnen dabei solidarische Unterstützung bieten. Israelis und Palästinenser, so erinnerte der Vatikan, sollten die Staatsverträge von 1993 und 2000 mit dem Heiligen Stuhl beachten, in denen den Christen Schutz und Rechte garantiert wurden.
Ein gesichertes Überleben der Christen im Heiligen Land sei freilich nur möglich, wenn die christlichen Gemeinschaften enger zusammenarbeiten, hieß es zum Treffen in Expertenkreisen. Die Katholiken gehören sieben verschiedenen Riten zu. Und zusammen mit Orthodoxen und Protestanten zählten die Christen in Israel und den Palästinensergebieten gerade drei Prozent der 6,1 Millionen Einwohner, führte Sodano vor der Konferenz aus. Das Problem ist freilich noch komplizierter. Denn nicht mitgezählt sind dabei die zahllosen christlichen Arbeitsimmigranten aus Osteuropa und Ländern des "Südens" sowie die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Rund ein Drittel der "russischen Juden", so schätzt man, sollen Christen sein. Deren Standort im Geflecht der christlichen Kirchen des Heiligen Landes ist bislang noch nicht geklärt.
Da die Zukunft der Christen im Heiligen Land vom Frieden in der Region abhängt, müssten Politiker, Kirchenführer, aber auch die Vertreter der anderen Religionen alles für ein Ende der "Spirale der Gewalt" tun, hieß es beim Kirchengipfel für das Heilige Land. Dem religiöse Dialog "mit den jüdischen und muslimischen Brüdern" komme eine zentrale Rolle zu, um das Heilige Land wieder zu einem "Treffpunkt des Friedens" zu machen, wie Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano forderte. Dass bei den Gesprächen hinter den verschlossenen Türen der Sala Bologna auch die Lage nach den jüngsten Terroranschlägen und dem von Israel angekündigten Abbruch der Beziehungen zu Jassir Arafat eine Rolle spielte, kann man voraussetzen. Für eine gründlichere Analyse und eine Abwägung der möglichen Folgen dürfte es freilich noch zu früh gewesen sein.
Der "Friedensplan" des Vatikans ist nicht komplett neu, aber deutlicher präzisiert. Bislang bekräftigte der Vatikan in öffentlichen Äußerungen das Recht der Palästinenser auf Heimat, sprach von gleichen Rechten für Israelis und Palästinenser. Die Forderung nach der Bildung eines eigenen Palästinenserstaates wurde in dieser Deutlichkeit bislang zwar von orientalischen Kirchenvertretern, nicht aber von Rom erhoben - auch wenn mit der PLO offiziell verhandelt wurde. Vermutlich fühlte sich der Vatikan durch das positive Votum von US-Präsident George W. Bush ermutigt. Kein Wort verliert die Schlusserklärung freilich zur umstrittenen Hauptstadtfrage. Die alte vatikanische Forderung nach dem international garantierten Sonderstatut wird jetzt auf die "heiligsten Teile Jerusalems" bezogen.
Eher am Rand kommt der mehrjährige Streit um die geplante Moschee vor der Verkündigungsbasilika in Nazareth zur Sprache: Den von Israel trotz kirchlichen Protests genehmigten Bau einer Moschee an dieser Stelle könne man nicht anders als als "Provokation" und als "schweren Mangel an Respekt gegenüber christlichen Gefühlen" deuten.
Kathpress
17. desember 2001