Lateinischer Patriarch Sabbah: Israelis sollen Druck auf Regierung Sharon ausüben, Friedensprozess wieder aufzunehmen - Armenisch-apostolischer Katholikos von Kilikien, Aram I., fordert, Palästinensern "ihre Rechte zurückzugeben"
Jerusalem-Beirut, 7.1.02 (KAP) Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, hat eine rasche Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern gefordert. Sollte dies nicht zu Stande kommen, hoffe er auf eine rasche Ablöse der Regierung Sharon, sagte Sabbah laut israelischen Zeitungsberichten vom Montag. Er rief die Bürger Israels auf, den Druck auf ihre Regierung für eine Rückkehr zu Verhandlungen zu erhöhen. Laut Medienangaben ist dies das erste Mal, dass der lateinische Patriarch öffentlich einen Regierungswechsel forderte.
Der israelische Rundfunk zitierte den Patriarchen mit der Aussage, er plädiere für die Schaffung eines eigenen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt. Weiter kritisierte Sabbah scharf die Entscheidung Israels, Palästinenserpräsident Yassir Arafat eine Teilnahme auch an den orthodoxen Weihnachtsfeiern in Bethlehem verwehrt zu haben.
Aram I.: Palästinensern Rechte zurückgeben
Der armenisch-apostolische Katholikos von Kilikien, Aram I., sagte beim Weihnachtsgottesdienst an seinem Amtssitz in der libanesischen Stadt Antelias, der Weltfriede brauche Gerechtigkeit als Basis. Die Kirche fordere, dass alle Anstrengungen unternommen werden, um einen dauerhaften Frieden im Heiligen Land zu schaffen. Voraussetzung dafür sei, dass den Palästinenser "ihre Rechte zurückgegeben werden". Das palästinensische Volk habe ein Recht auf gerechte Behandlung. Das schließe einen unabhängigen Staat und die Möglichkeit für Flüchtlinge zur Rückkehr ein, so Aram. Zudem müsse sich Israel aus allen besetzen Gebieten zurückziehen, unter anderem aus dem Libanon und dem Golan. Nur so könne ein gerechter, umfassender und dauerhafter Nahost-Friede zu Stande kommen.
Kritik an libanesischer Innenpolitik
In seiner Weihnachtspredigt übte der Katholikos auch Kritik an den innenpolitischen Zuständen des Libanon. Es habe ein System der Günstlingswirtschaft überlebt, das völlig inakzeptabel sei. Jeder der drei Präsidenten - Staat, Regierung, Parlament - bevorzuge seine Klientel und seine eigenen Interessen. So würden die Christen auf der Ebene der politischen Repräsentation benachteiligt. Es sei aber "extrem gefährlich", eine Bevölkerungsgruppe zu Gunsten einer anderen zu benachteiligen.
Der maronitisch-katholische Patriarch von Antiochien, Kardinal Nasrallah Sfeir, prangerte bei einem Dreikönigs-Gottesdienst in Bkerke ebenfalls die sozialen Ungerechtigkeiten im Libanon an. Der Graben zwischen einer kleinen reichen Minderheit und einer großen armen Mehrheit öffne sich immer weiter, die Mittelschicht drohe zu verschwinden, kritisierte Sfeir. Anstatt sich um diese Probleme zu kümmern, seien die Verantwortlichen im Staat vor allem mit der Verteilung von Posten beschäftigt.
Kathpress
7. januar 2002