Forschung an embryonalen Stammzellen nicht erforderlich - Spätabtreibungen und medizinische Indikation einschränken
Berlin, 25.1.02 (KAP) Als nicht erforderlich hat die deutsche Bundesärztekammer (BÄK) die wissenschaftliche Forschung an embryonalen Stammzellen bezeichnet und deshalb den umstrittenen Import strikt abgelehnt. "Stammzellforschung ist möglich und auch in Deutschland möglich", sagte BÄK-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe vor Journalisten in Berlin. Mit adulten Stammzellen, die aus dem Körper bereits geborener Menschen gewonnen werden, ließen sich vom Prinzip her die gleichen technischen Entwicklungen vorantreiben. Es gebe keinen ethischen Unterschied zwischen der Arbeit an importierten embryonalen Stammzellen und in Deutschland erzeugten. Deshalb komme eine Einfuhr nicht in Frage, so die Kammer.
Nach Ansicht Hoppes müssten Befürworter des Stammzellimports, wenn sie ehrlich seien, auch der Auffassung sein, dass der Import nur eine Übergangslösung sein könne und dass längerfristig das Embryonenschutzgesetz geändert werden müsse, um an embryonalen Stammzellen aus Deutschland zu forschen. Die jetzt angestrebte Regelung sei "nicht Fisch, nicht Fleisch".
Auf die Frage, ob das ethische Dilemma bei einer Ablehnung des Imports nicht auf den Zeitpunkt verlagert werde, an dem in Deutschland Nutzen aus der Erforschung embryonaler Stammzellen im Ausland gezogen werde, meinte Hoppe, für ihn stehe immer noch in Frage, was bei dieser Abwägung ethischer sei. Zudem hoffe er, dass es zu diesem Konflikt durch Fortschritte in der adulten Stammzellforschung gar nicht erst komme.
Gegen "Konsumentenethik"
Nach Ansicht von BÄK-Hauptgeschäftsführer Christoph Fuchs geht es bei der Debatte um den Stammzellimport um die grundsätzliche Frage des Menschenbildes in der modernen Medizin. Wer sich für den Verbrauch von Embryonen zu Forschungszwecken ausspreche, rede einer "Konsumentenethik" das Wort. Er werde den Verdacht nicht los, dass ein gewisser Zeitgeist hier eine große Rolle spiele. Fuchs warnte, eine Entscheidung für den Import von embryonalen Stammzellen wäre nicht umkehrbar.
Die Bundesärztekammer forderte auch eine Überarbeitung des deutschen Abtreibungsgesetzes. Dabei solle die medizinische Indikation auf den Zeitraum bis zur 22. Woche begrenzt werden, sagte Hoppe. Zugleich stellte er kritische Anfragen an die Reproduktionsmedizin; sie sei "an der Grenze dessen, was mit dem Arztberuf vertretbar ist".
Nach der deutlichen Ablehnung der so genannten Präimplantationsdiagnostik (PID) bei einer Bundestagsanhörung am Mittwoch müsse der deutsche Abtreibungsparagraf 218 StGB mit der Regelung der Spätabtreibung "wieder auf die Tagesordnung", mahnte Hoppe. Der jetzige Zustand sei für Frauen und Gynäkologen unhaltbar. Deshalb solle sich das Parlament nach der Bundestagswahl im September um eine Reform bemühen, auch wenn es in dieser Frage tiefe Gräben gebe.
"Falsche Wege"
Die Kritik der Ärztekammer richtet sich vor allem dagegen, dass nach dem Wegfall der embryopathischen Indikation 1995 die Zahl der Abbrüche wegen einer medizinischen Indikation, die ohne eine Befristung vorgenommen werden können, zugenommen hat. Hoppe forderte eine zeitliche und inhaltliche Begrenzung dessen, was einen medizinisch begründeten Abbruch rechtfertigen könne. Bei der Anhörung im Bundestag hätten sich auch Verfassungsrechtler in diesem Sinne geäußert.
Hoppe sagte, er persönlich wünsche sich eine generelle Debatte über die 218-Reform, den Umgang mit Fortpflanzung und die Frage der Reproduktionsmedizin. In diesem Bereich seien "vielleicht falsche Wege" gegangen worden. Er plädiere dafür, die Zahl der Abtreibungen aus sozialen Gründen zu reduzieren und mehr Adoptionen möglich zu machen für Paare, die aus genetischen Gründen keine Kinder bekommen könnten oder die unfruchtbar seien. Die Diagnose eines "Down Syndroms" nach der 22. Schwangerschaftswoche dürfe kein Abtreibungsgrund sein. Häufiger, als es öffentlich bekannt werde, entstehe heute der Konflikt, dass ein Embryo einen Abbruch überlebe. Deshalb sei eine Eingrenzung dringend erforderlich.
Kathpress
25. januar 2002