Kritik am Beschluss des Deutschen Bundestags in Sachen Stammzellen-Import - "Lebensschutz nicht mehr gewährleistet"
Berlin, 30.1.02 (KAP) "Enttäuschung" hat bei den christlichen Kirchen die Entscheidung des Deutschen Bundestags in Sachen Stammzellen-Import ausgelöst. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, stellte in einer gemeinsamen Erklärung fest, der Lebensschutz sei in Deutschland "nicht mehr gewährleistet". Die Bundestagsentscheidung widerspreche auch dem Embryonenschutzgesetz, nach dem das Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt.
Der Bundestag hat einem streng begrenzten Import menschlicher embryonaler Stammzellen nach Deutschland zugestimmt. Im entscheidenden zweiten Abstimmungsgang sprachen sich 340 Abgeordnete für den Kompromissvorschlag aus, für den auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und CDU-Chefin Angela Merkel geworben hatten. 265 Parlamentarier stimmten für das strikte Importverbot. Abgegeben wurden 618 Stimmen. Der erfolgreiche Antrag sieht einen eng begrenzten Import bereits bestehender embryonaler Stammzellen mit einer Stichtagsregelung vor.
"Tiefe Enttäuschung" bekundete auch der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner. Mit der Entscheidung würden Deutsche zu Profiteuren der "Tötung von Menschen am Beginn ihrer Existenz". Es müssten alle rechtsstaatlichen Mittel eingesetzt werden, damit die Entscheidung rückgängig gemacht werde. Ausdrücklich dankte der Kardinal jenen Parlamentariern, die sich für ein Einfuhrverbot eingesetzt haben.
Der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, bezeichnete die Entscheidung als "Dammbruch beim Schutz menschlichen Lebens". Der Preis für die Heilung von Krankheiten dürfe nicht die Selektion und Vernichtung menschlichen Lebens sein. Enttäuscht zeigte sich auch der Erfurter katholische Bischof Joachim Wanke. Mit der Entscheidung sei der absolute Lebensschutz aufgegeben worden. Es bestehe die Gefahr, dass das künftige Gesetz nicht ein Schlusspunkt, "sondern der Beginn weiter reichender Forderungen von Politikern und Forschern ist". Das Embryonenschutzgesetz dürfe auf keinen Fall "unter dem Vorwand der Forschungsfreiheit" ausgehebelt werden.
Auch der Deutsche Caritasverband bedauerte die Entscheidung. Die Festlegung sehr restriktiver Bedingungen ändere nichts daran, dass menschlichem Leben in seinen frühesten Entwicklungsstadien in Deutschland der gesetzliche Schutz entzogen werde. Für unbestimmte Erwartungen des medizinischen Fortschritts werde ein hoher Preis bezahlt.
Religiöse Argumente auf beiden Seiten
Der Berliner Bundestag hat einem streng begrenzten Import menschlicher embryonaler Stammzellen nach Deutschland zugestimmt. Im entscheidenden zweiten Abstimmungsgang sprachen sich 340 Abgeordnete für den Kompromissvorschlag aus, für den auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und CDU-Chefin Angela Merkel geworben hatten. 265 Parlamentarier stimmten für das strikte Importverbot. Abgegeben wurden 618 Stimmen. Der erfolgreiche Antrag sieht einen eng begrenzten Import "bereits bestehender" embryonaler Stammzellen mit einer Stichtagsregelung vor. Zuvor hatte das Parlament einen dritten Antrag abgelehnt, der eine völlige Freigabe des Imports vorsah.
Mit der Parlamentsentscheidung kann die Deutsche Forschungsgemeinschaft am Donnerstag "grünes Licht" für ein Forschungsprojekt der Bonner Wissenschaftler Otmar Wiestler und Oliver Brüstle geben, die embryonale Stammzellen aus Israel importieren wollen. Ziel ihrer Forschung ist es, aus den Stammzellen menschliche Nervenzellen zu züchten.
In der Debatte hatte sich der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder für eine streng begrenzte Einfuhr ausgesprochen und vor den verfassungsrechtlichen Problemen eines strikten Importverbots gewarnt. Ähnlich äußerte sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Dagegen warnte der Kirchenbeauftragte der deutschen Unionsparteien, Hermann Kues (CDU), vor einer Grundsatzentscheidung an einer "Weggabelung ohne Umkehrmöglichkeit".
Schröder, der in seiner Funktion als Abgeordneter sprach, sagte wörtlich: "Stammzellen, aus denen sich kein vollständiger Organismus mehr entwickeln kann, genießen keinen Grundrechtsschutz". Sehr wohl gelte dies aber für die Forschungsfreiheit. CDU-Chefin Merkel betonte, das menschliche Leben beginne mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Auf keinen Fall dürfe es eine Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken und "verbrauchende" Embryonenforschung geben. Nachdrücklich trat sie für stärkere Bemühungen um die adulte Stammzellforschung ein.
In der gut viereinhalbstündigen Debatte kamen 40 Abgeordnete zu Wort. Davon sprachen sich - entsprechend der verteilten Redezeit - 21 für das strikte Importverbot aus, 12 für den Kompromissantrag, sieben für eine weiter gehende Lösung. Etwa jeder dritte Redner bezog sich ausdrücklich auf religiöse Argumente, darunter waren auch Befürworter des großzügigeren Imports.
Kathpress
30. januar 2002