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Publisert 7. april 2002 | Oppdatert 6. januar 2011

Franziskanerpater Jaeger: Palästinensische Kämpfer müssen Kirche verlassen können, "ohne misshandelt oder erschossen zu werden" - Kämpfer selbst wollen Kirche erst verlassen, wenn Israelis abgezogen sind

Vatikanstadt-Jerusalem, 5.4.02 (KAP) Die katholische Seite strebt eine Verhandlungslösung für die in der Geburtskirche von Bethlehem eingeschlossenen palästinensischen Kämpfer an. Das erklärte der Sprecher der Kustodie im Heiligen Land, Franziskaner-Pater David Jaeger, am Freitagmorgen in einem Interview mit Radio Vatikan. "Wir wollen eine ehrenvolle Verhandlungslösung für diese Menschen", erklärte Jaeger. Auch der Rektor des Bethlehemer Priesterseminars, Maroun Lahham, gab bekannt, die Kirche verhandle mit israelischen Stellen zur Lösung der Situation. "Es darf kein Massaker geben, und die Kirche darf nicht beschädigt werden", sagte Lahham vor Journalisten.

Jaeger wies die Behauptung zurück, bei dem Aufenthalt der Kämpfer handle es sich um einen Fall von Kirchenasyl. Diese Form des Schutzes sei seit dem Ende des Mittelalters nicht mehr üblich, außerdem habe sie immer nur für unbewaffnete Schutz Suchende gegolten. Jaeger betonte, Ziel der Verhandlungen müsse sein, dass die Palästinenser den Gebäudekomplex verlassen könnten, ohne misshandelt oder erschossen zu werden.

Unterdessen erklärte Abu Ibrahim Abayat, einer der Anführer der in der Geburtskirche verschanzten Palästinenser, in einem Telefoninterview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera", die Kämpfer würden den Gebäudekomplex nicht verlassen, solange die Israelis Bethlehem besetzt hielten. Sie seien bereit, als Märtyrer zu sterben, um Palästina zu verteidigen.

Über die Gründe für das bewaffnete Eindringen in die Kirche sagte Abayat, die Gruppe sei dorthin geflüchtet, um dem heftigen feindlichen Geschützfeuer auf dem Platz vor der Kirche zu entkommen. Es sei der einzig mögliche Fluchtweg gewesen. Er erklärte, die Kämpfer bedauerten, dass sie damit die Mönche in Schwierigkeiten gebracht hätten.

Universität als militärisches Hauptquartier

Die katholische Universität in Bethlehem wird von den israelischen Soldaten als Hauptquartier benutzt. "Es sind über 50 Soldaten auf dem Campus; sie halten sich in den meisten unserer Gebäude auf", sagte Vincent Malham, Vizekanzler der Universität, in einem am Freitag veröffentlichten Telefoninterview mit der US-amerikanischen katholischen Nachrichtenagentur CNS. Hin und wieder gäben die Soldaten vom Universitätsgelände aus Schüsse ab, "wohl um ihre Präsenz zu zeigen".

Alle Räume der Hochschule seien durchsucht worden, aber insgesamt benähmen sich die Soldaten "ordentlich". Wie lange diese Belagerung dauern werde, sei derzeit noch nicht abzusehen, sagte Malham. "Wir wollen, dass sie abziehen, denn solange sie hier sind, kann alles Mögliche geschehen", fügte er hinzu. Die Versorgungslage auf dem Universitätsgelände sei noch einigermaßen gut. Auch Wasser und Strom gebe es noch. Dies sei in vielen Stadtteilen Bethlehems jedoch nicht mehr der Fall.

Glöckner der Geburtskirche erschossen

Der Glöckner der Bethlehemer Geburtskirche, Samir Ibrahim Salman, ist bei den Kämpfen zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern ums Leben gekommen. Wie die israelische Tageszeitung "Haaretz" am Freitag unter Berufung auf einen Freund des 45-jährigen berichtete, wollte Salman am Donnerstagabend zu der seit Tagen belagerten Kirche gehen, als er von den tödlichen Kugeln getroffen wurde. Nach anderen Berichten hatte sich der als geistig behindert geschilderte Mann bereits in der Kirche aufgehalten. Die Gefahr nicht begreifend, habe er das Gotteshaus verlassen und sei von israelischen Soldaten erschossen worden.

Zwischen 200 und 300 teilweise bewaffnete Palästinenser halten sich seit Dienstag in der Geburtskirche und im benachbarten Franziskanerkonvent verschanzt. Auch mehrere Dutzend Priester und Ordensleute sind dort eingeschlossen. Israelische Soldaten haben den Gebäudekomplex umzingelt und fordern die Palästinenser zur Aufgabe auf. Nach Angaben der Regierung haben die Soldaten strikte Anweisung, das Gotteshaus, einer der heiligsten Orte der Christenheit, nicht zu beschießen. Dennoch berichteten Anwohner von Explosionen in der Nacht zum Freitag.

US-Präsident George Bush hatte am Donnerstagabend (Ortszeit) beide Konfliktparteien aufgerufen, die Gewalt sofort zu beenden. Israel müsse sich aus allen besetzten Gebieten zurückziehen. Im Gegenzug müssten die Palästinenser alle Terrorakte einstellen.

Bethlehems Bürgermeister Hanna Nasser befürchtet unterdessen eine gewaltsame Erstürmung der Geburtskirche. Er hoffe inständig, dass es nicht zu dieser Katastrophe kommen werde, sagte Nasser am Freitag telefonisch der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Auch die israelischen Soldaten wüssten um den unschätzbaren Wert der Kirche; er wisse jedoch nicht, ob sie deshalb auch von einem Angriff auf die Kirche absehen würden.

Nach Angaben des Bürgermeisters durchsuchen israelische Soldaten weiterhin Haus für Haus der seit Dienstag besetzten Stadt. Die Ausgangssperre halte an. Auch sei das Rathaus am zentralen Krippenplatz vom Militär besetzt. Nasser betonte, er habe Gespräche auch mit dem Vatikan-Gesandten in Israel und Palästina, Erzbischof Pietro Sambi, geführt. Die internationale Gemeinschaft und der Vatikan müssten alles für eine friedliche Beilegung und einen Rückzug der Israelis tun. Der Bürgermeister sagte zur Zahl der Todesopfer in Bethlehem, er wisse von mindestens zwölf Menschen, die seit Beginn der Invasion getötet worden seien.

Zuvor hatte Nasser in einem Telefoninterview des jordanischen Fernsehens gesagt, Soldaten hätten bereits einen Eingang zu dem Gebäudekomplex der Geburtskirche beschossen. "Sie befinden sich jetzt auf dem Gelände, aber sind noch nicht in der Kirche", fügte Nasser in dem ebenfalls telefonisch geführten Interview hinzu. Der israelische Regierungssprecher Raanan Gissin wies die Darstellung, Soldaten hätten die Kirche beschossen, als völlig aus der Luft gegriffen zurück.

Aufruf zum Verlassen der Geburtskirche

Die israelische Armee rief am Freitag die palästinensischen Kämpfer in der Geburtskirche auf, aufzugeben und herauszukommen. Man werde sie mit Respekt behandeln, so die Zusicherung. Der Aufruf erfolgte mit Hilfe eines Lautsprechers und lautete nach Angaben der Presseagentur AFP: "Alle sollen den heiligen Ort verlassen, sie werden mit Respekt und würdig behandelt werden". Während der Nacht auf Freitag waren in der Umgebung der Geburtskirche immer wieder Explosionen und Schüsse zu hören. Was damit bezweckt wurde und wer genau sie abgegeben hat, ist unklar. Armeesprecher Olivier Rafowicz erklärte laut CNN, einige der Kämpfer hätten die Grabeskirche verlassen, und man versuche nun, sie aufzuspüren und festzunehmen.

Ungeklärte Vorgänge in syrischer Kirche

Laut palästinensischen Angaben sollen sich auch in eine syrische Kirche in Bethlehem mehrere Dutzend Kämpfer geflüchtet haben; in dem Kirchengebäude sollen sich einige Priester und Ordensfrauen aufgehalten haben. Dieses Gotteshaus soll nun laut einem CNN-Korrespondenten von den Israelis gestürmt worden sein. Die israelische Armee habe vergangene Nacht die "überraschende" Mitteilung veröffentlicht, man habe die Kontrolle über das Kirchengelände übernommen. Von den 60 bis 80 palästinensischen Kämpfern fehle jedoch jede Spur. Wie sie entkommen sind, sei unklar, so CNN; man vermute, dass sie Geheimwege kannten.

"Wir beten den Rosenkranz"

Pater Johannes Simon, der als Guardian den Franziskanerkonvent neben der Bethlehemer Geburtskirche leitet, schilderte in einem Gespräch mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA die jüngsten Geschehnisse. Donnerstagmittag habe sich die Lage noch einmal zugespitzt gehabt. Gegen zwölf Uhr Ortszeit hätten bewaffnete Palästinenser die schwere Holztür aufgebrochen, die das Franziskanerkloster und das Pilgerhaus "Casa Nova" mit dem Kreuzgang und der benachbarten Anlage der Geburtsbasilika verbindet. Die Ordensleute wurden vorübergehend als "menschliche Schutzschilde" in dem Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis einbezogen.

Auch Simon dementierte die Gerüchte, israelische Soldaten hätten eine Tür der Geburtskirche aufgebrochen. "Das ist nicht wahr", betonte er. Die Israelis hätten lediglich gewaltsam eine Eisentür geöffnet, die von der Milchgrottenstraße auf der südlichen Seite der Geburtskirche in einen Garten des dort befindlichen griechisch-orthodoxen Klosterbezirks führe. Aber das wisse er nur vom Hörensagen.

Die im Kloster verweilenden Palästinenser beschreibt Simon als "sehr hart" - aber "aggressiv, nein, das würde ich nicht sagen". Die bewaffneten Männer wüssten sehr genau, was sie wollten. Nach Angaben Simons gibt es unter den Palästinensern in der Basilika entgegen anders lautenden Berichten keine Familien. Seit zwei Tagen hielten sich dort auch zwei verletzte Palästinenser auf, Ordensangehörige seien nicht zu Schaden gekommen.

Die Mönche hofften auf die intensiven Bemühungen des Vatikans, in Verhandlung mit der israelischen Regierung eine friedliche Lösung zu finden. Auch einer der Franziskaner sei mit den israelischen Soldaten am Ort im Gespräch - "aber unsere Kontakte reichen nicht aus, um etwas zu verändern".

P. Simon stammt aus Ostdeutschland und lebt seit langem im Heiligen Land: einige Zeit in Jerusalem, dann - auch in der Zeit des Papstbesuchs 2000 - in Nazareth, nun seit Oktober in der Geburtsstadt Jesu. Auf die Frage, ob er Angst habe, antwortete er mit einem Nein. Aber unter den jungen Brüdern in dem großen Konvent gebe es schon einige, die bei jeder Explosion, jedem neuen Knall zusammenzuckten. "Wir beten den Rosenkranz", so der Franziskaner-Guardian.

Lutherische Kirche durchsucht

Der lutherische Pfarrer in Bethlehem, Mitir Raheb, war am Donnerstag vorübergehend festgehalten worden. Drei Gruppen von israelsischen Soldaten drangen gestern in die Gebäude der Weihnachtskirche in Bethlehme ein und durchsuchten zwei Stunden lang Raum für Raum, meldete der US-amerikanische evangelische Nachrichtendienst WFN. Als Raheb das Eindringen der Soldaten vernommen hat, habe er mit dem lutherischen Bischof in Jerusalem, Munib A. Younan, telefonisch Kontakt aufgenommen, um ihn über die bedrohliche Lage zu informieren.

Der Bischof habe daraufhin israelische Regierungs- und Armeeverantwortliche kontaktiert und einen sofortigen Abzug der Soldaten aus den kirchlichen Gebäuden verlangt. Auch dürften der Pfarrer und seine Familie durch die Aktion nicht gefährdet werden. Als die Soldaten den Pfarrer telefonieren sahen, hätten sie ihn bedroht und ihm jedes weitere Telefonat verboten. Schließlich sei ein Kommandant gekommen, der die Soldaten hinaus beordert hat und Raheb zusicherte, ihm und seiner Familie werde nichts geschehen.

Im Zuge des Vormarsches israelischer Truppen in Bethlehem war schon am Dienstag die lutherische Weihnachtskirche in der Stadt schwer beschädigt worden. Auch das anliegende "Internationale Zentrum" der Lutheraner und die Wohnung des Pfarrers hatten Schäden abbekommen. Vor der Kirche sind nach wie vor Panzer stationiert.

Beit Jala: Pfarrer berichtet von Massakern

Als wirklich katastrophal beschreibt der reformierte Pfarrer Jadallah Shihadeh in Beit Jala bei Bethlehem die gegenwärtige Situation in den von Israel wieder besetzten palästinensischen Gebieten. "Die Geschäfte sind leer, das israelische Militär lässt keine Transporte durch. Die Lage ist sehr schlimm. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit haben die meisten Familien auch keinerlei Vorsorge treffen können. In den Krankenhäusern fehlt es an Medikamenten, es herrscht Mangel an Blutkonserven", sagte er der "Berliner Zeitung" (Freitag-Ausgabe). "Wasser gibt es nicht. Die meisten Häuser haben zum Glück Tanks auf den Dächern. Aber auch bei sparsamstem Umgang werden sie in den allernächsten Tagen leer sein."

"Ich weiß von Massakern", sagte der Pfarrer. "Bei einem Studienfreund von mir, einem Muslim, sind die Soldaten ins Haus eingedrungen und haben seinen Bruder und seine Mutter niedergeschossen. Ich habe sie gekannt, ich weiß, dass es eine friedliche Familie war, die niemandem etwas zu Leide tun könnte. Sie haben sich nie politisch betätigt, sind nicht einmal zu Demonstrationen gegangen. Wegen der Ausgangssperre können die Leichen nicht beerdigt werden. Sie liegen immer noch im Haus, vor den Augen der Kinder."

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in seiner jüngsten, Freitagfrüh verabschiedeten Resolution Israel "ohne Verzögerung" zum Rückzug aus den palästinensischen Städten aufgefordert. Ohne Gegenstimmen billigten die 15 Mitglieder des Sicherheitsrates mit Unterstützung der USA die Nahost-Resolution. Die Resolution fordert "ohne Verzögerung" die Umsetzung der am Samstag verabschiedeten Resolution 1402. Demnach wird ein nachhaltiger Waffenstillstand und der Rückzug der israelischen Armee aus den palästinensischen Städten gefordert.

Auf Vorschlag des UNO-Botschafters der USA, John Negroponte, unterstützt der Sicherheitsrat die Reise von Außenminister Powell in die Region wie auch die Friedens-Bemühen der Gesandten der Europäischen Union, Russlands und der Vereinten Nationen.

Franziskaner wollen in der Geburtskirche bleiben

Die im Gebäudekomplex der Geburtskirche von Bethlehem eingeschlossenen Franziskaner wollen ihren Konvent nicht verlassen, auch wenn dies ihren eigenen Tod bedeuten würde. Der Generalminister des Ordens, Pater Giacomo Bindi, sagte am Freitag in Rom bei einer Pressekonferenz, die Ordensleute könnten nicht weggehen, weil sonst ein Blutbad in der Grabeskirche stattfände. Die rund 40 Ordensmänner und vier Schwestern befänden sich derzeit zwischen zwei bewaffneten Gruppen, den Palästinensern im Konvent auf der einen und den israelischen Panzern auf der anderen Seite.

In dieser Situation "bleiben wir auf unserem Posten, zwischen den beiden Lagern und versuchen mit allen zu verhandeln, um ein tragisches Ende zu vermeiden", erklärte Bini und betonte, in der Erfüllung ihrer Friedensmission seien die Franziskaner auch bereit zu sterben. Eindringlich rief der Generalobere die am Konflikt Beteiligten auf, die Waffen niederzulegen. Die Franziskaner seien bereit, jedem, der die Waffen niederlege, die Kutte des Heiligen Franziskus als Zeichen des Friedens anzubieten.

Kathpress
5. april 2002

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