Vatikanstadt, 6.4.02 (KAP) Der italienische Kardinal Roberto Tucci SJ - der frühere "Reisemarschall" des Papstes - hat vor dem Aufflammen eines neuen Antisemitismus in Europa gewarnt. In einem Beitrag für Radio Vatikan sagte Tucci, die jüngsten antisemitischen Vorfälle in Frankreich und Belgien seien nicht zu rechtfertigen. Es müsse verhindert werden, dass es erneut zu einem Ausbruch von Antisemitismus in der westlichen Welt komme. Ausdrücklich warnte Tucci dabei auch vor einem "Antisemitismus der Christen". Er erinnerte daran, dass die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil den Antisemitismus verurteilt habe. Antisemitismus und Antijudaimus seien nicht christlich, erklärte der Kardinal. Zugleich betonte er, es müsse möglich sein, die israelische Regierung zu kritisieren, ohne deshalb gleich des Antisemitismus bezichtigt zu werden.
"Osservatore"-Chef weist Kritik zurück
Der Chefredakteur der offiziösen vatikanischen Tageszeitung "L'Osservatore Romano", Mario Agnes, hat sich gegen Vorwürfe zur Wehr gesetzt, sein Blatt vertrete im derzeitigen Nahostkonflikt anti-jüdische Positionen. In einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" sagte Agnes, seine Redaktion kritisiere nicht, sie mache eine Zeitung und berichte die Fakten. Vorwürfe, in den Berichten komme eine anti-jüdische Haltung zum Ausdruck, seien "vollkommen falsch". Der "Osservatore Romano" verfolge die Linie des Papstes und werde in dieser Richtung weitermachen, so Agnes, der das Blatt seit 1984 leitet.
Vorwürfe gegen die Berichterstattung des "Osservatore" über die Vorgänge im Heiligen Land hatten in den vergangenen Tagen mehrere jüdische Sprecher erhoben, darunter der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden in Italien, Amos Luzzatto. Kritisiert wurde von jüdischer Seite vor allem der Ausdruck "Vernichtung", mit dem der "Osservatore" das Vorgehen der israelischen Armee gegen die palästinensische Seite umschrieb. Luzzatto wurde von der "Repubblica" mit den Worten zitiert, die Vatikanzeitung habe in den jüngsten Tagen "offensichtliche Formen von Antisemitismus" gezeigt.
Kathpress
6. april 2002