Gründe für Verzögerung der Verhandlungen über die Geburtskirche unklar
Jerusalem-Rom, 18.4.02 (KAP) In Bethlehem ist erneut ein Treffen der palästinensisch-israelischen Verhandlungsgruppe geplatzt, die über die seit 17 Tagen besetzte und belagerte Geburtsbasilika beraten soll. Wie der vatikanische Missionspressedienst "Fides" am Donnerstag meldete, kam das Treffen erneut aus angeblich "logistischen Gründen" nicht zu Stande. Die tatsächlichen Gründe für das Scheitern blieben jedoch im Unklaren.
"Wir sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage, zu beurteilen, wer für das Scheitern dieser Verhandlungen verantwortlich ist, doch wir raten beiden Seiten, sich daran zu erinnern, dass die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit auf den Ort der Geburt Christi gerichtet sind", zitiert "Fides" den Sprecher der Franziskaner-Kustodie für das Heilige Land, Pater David Jaeger. Er hege "Verbitterung und Abscheu" angesichts dieser "unglaublichen Ignoranz" gegenüber den schwerwiegenden Folgen, die das laufende Hinauszögern der Verhandlungen aus offensichtlich nichtigen Gründen mit sich bringt.
Franziskaner-Kustos Pater Giovanni Battistelli teilte dem Missionspressedienst "Misna" mit, Israel wolle bei den Verhandlungen keinen Vertreter des Vatikans oder des lateinischen Patriarchats von Jerusalem dabei haben. Er habe von Beginn an die Linie vertreten, dass sich die Kirchen aus den direkten Gesprächen zwischen Israelis und Palästinensern über die Geburtsbasilika heraushalten müssen, so P. Battistelli. Notwendig sei allerdings eine rasche Lösung, und dazu müsse "auch die palästinensische Seite weitere Schritte setzen und nicht noch mehr Bedingungen stellen". Die Teilnahme von Patriarch Michel Sabbah an den Verhandlungen war eine der Hauptforderungen von Yasser Arafat.
Unterdessen hat es im Inneren der Heiligen Stätte wieder einen Schwerverletzten geben, berichtet "Fides". Am Mittwochabend sei ein junger Palästinenser nach Augenzeugenberichten von einem israelischen Scharfschützen getroffen und am Bein schwer verletzt worden. Er war in den Garten des Franziskaner-Konvents gegangen, um Bohnen zu sammeln.
Laut den Angaben des Bethlehemer Bürgermeisters Hana Nasser wurde der Verletzte zusammen mit zwei anderen Verletzten am selben Tag in ein Krankenhaus gebracht. Auch vier Kinder durften nach Nassers Angaben die Kirche verlassen. Die israelischen Soldaten hätten jedoch weiterhin verboten, die beiden seit Tagen in einer Grotte der Kirche verwesenden Leichen abzutransportieren.
Ordensleute wehren sich gegen "Instrumentalisierung"
Unterdessen wächst laut Bürgermeister Nasser der Hunger der mehr als 200 in der Kirche Eingeschlossenen. "Kein einziges Pfund Lebensmittel" habe seit Beginn der Belagerung vor zwei Wochen in die Kirche gebracht werden können, sagte Nasser.
Ein Feuer in einem Schlafraum des griechisch-orthodoxen Konvents, das am Dienstagabend ausgebrochen war, hätten die Geistlichen kurze Zeit später löschen können, so Nasser weiter. Eine israelische Leuchtrakete sei in dem Raum eingeschlagen. Bei den Schießereien am Dienstagabend hätten ein paar Kugeln auch wieder die Kirche getroffen. Sonst schössen die Soldaten in der Regel über die Kirche hinweg.
Laut P. Jaeger nehmen Sorge und Verunsicherung unter den verbliebenen Mönchen und Ordensfrauen zu. Da sie sich aus Sicherheitsgründen von den Fenstern fern halten müssen, könnten sie viele Vorgänge nur hören, aber nicht sehen. Sie wüssten deshalb oft nicht genau, was vor sich geht.
Angesichts einer derart gespannten Situation wäre die von der ganzen Welt erhoffte friedliche Lösung der Krise um die Geburtskirche "absolut notwendig", so der Franziskaner-Sprecher zu "Fides". Aber beide Seiten versuchten, die Position der Ordensleute "zu instrumentalisieren". P. Jaeger: "Wir lehnen das strikt ab. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern und wir gehören weder zur einen noch zur anderen Seite. Beide Seiten tragen große Verantwortung gegenüber der Welt und der Geschichte. Wir bitten sie deshalb unter Beweis zu stellen, dass sie auf der Höhe einer solchen Verantwortlichkeit sind".
Der israelische Franziskaner erinnerte an die jüngst vom Ständigen Beobachter des Vatikans beim Sitz der Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Diarmuid Martin, ausgesprochene Mahnung, wonach die Nichtachtung der Heiligen Stätten in Jerusalem und im gesamten Heiligen Land "einen Verstoß gegen internationales Recht und bilaterale Vereinbarungen darstellt".
Erzbischof Martin hatte am 12. April in Genf bezüglich der Situation im Nahen Osten darauf verwiesen, dass "der freie Zugang zu den Heiligen Stätten eine Dimension der Religionsfreiheit und eine unveräußerliche Voraussetzung für die Förderung eines Klimas des Dialogs zwischen den Religionen im Nahen Osten im Dienst des Friedens" darstelle.
Israels Außenminister Shimon Peres sagte dem israelischen Armeerundfunk am Donnerstag, notwendig sei eine "politische Lösung". Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Militäroperation im Westjordanland die Probleme nicht lösen werde. Auch das "sehr ernste Problem" der Geburtskirche in Bethlehem müsse gelöst werden.
Kathpress
18. april 2002