Nach israelischen Angaben konnten sie mit Hilfe von Ordensleuten die Basilika verlassen
Jerusalem, 22.4.02 (KAP) Aus der belagerten Geburtskirche in Bethlehem sind laut israelischen Angaben fünf junge Palästinenser geflohen. Sie seien am Sonntagnachmittag mit weißen Fahnen am Kirchenausgang aufgetaucht. Rot-Kreuz-Mitarbeiter hätten sie mit Erlaubnis der israelischen Soldaten von dort abgeholt, berichtete die israelische Tageszeitung "Haaretz" am Montag. Die Geflohenen hätten angegeben, Ordensleute in der besetzten und belagerten Kirche hätten ihnen zur Flucht verholfen.
Die fünf Palästinenser standen nicht auf der Liste der gesuchten Terroristen, die sich nach Angaben Israels unter den Besetzern der Geburtskirche befinden. Die Zeitung spricht auch von Aussagen der fünf Geflohenen, wonach viele andere Palästinenser in der Basilika zur Aufgabe bereit seien, dies werde ihnen aber von den Anführern der bewaffneten Besetzer nicht gestattet.
Die Zeitung zitiert zudem Aussagen jenes jungen Palästinensers, der vorige Woche am Bein angeschossen wurde, als er im Garten des Franziskanerklosters Essbares suchte, und der daraufhin zur Behandlung in ein Jerusalemer Spital gebracht wurde. Nach seinen Angaben zwingen die Besetzer der Geburtskirche rund 50 Kinder und Jugendliche, sich in der Unterkirche aufzuhalten. Sie dürften nur ganz selten die Gewölbe verlassen, etwa um die Toilette aufzusuchen. Die Maßnahme geschehe seiner Einschätzung nach, damit die jungen Menschen nicht in die Schusslinien geraten. Sie litten aber unter Durst, Hunger und Angst.
Der junge Palästinenser schilderte auch, wie er in die Geburtskirche kam. Er habe auf dem Markt im Zentrum von Bethlehem gerade eingekauft, als er plötzlich mehrere Explosionen hörte und Menschen in die Geburtskirche fliehen sah. Daraufhin sei auch er in das Kirchengebäude geflohen.
Schwieriges Schicksal der Ordensfrauen
Laut Angaben des Missonspressedienstes "Misna" sind die sechs Franziskaner-Schwestern seit Beginn der Belagerung Anfang April in ihrem Konvent an der Rückseite der Geburtskirche eingeschlossen. Zwei der Ordensfrauen seien Palästinenserinnen, je eine kommt aus Malta, Frankreich, Spanien und der Türkei. Sie seien in der Mehrzahl in höherem Alter, die älteste sei 93 Jahre alt. Für sie sei die Lage sehr schwierig, so "Misna".
Rund 300 Christen und Muslime mit dem lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Michel Sabbah, an der Spitze sind am Sonntag mit ihrem Versuch gescheitert, zur Geburtskirche vorzudringen. Rund 200 israelische Soldaten stoppten die Gruppe bereits am Check-Point an der Stadtgrenze von Bethlehem. Ein Armeesprecher sagte, die Stadt sei "militärisches Sperrgebiet". Zu den Demonstranten gehörten neben Sabbah der arabische Abgeordnete Ahmed Tibi sowie andere christliche und islamische Repräsentanten. Sie wollten die Armee auffordern, ihre Belagerung der Geburtskirche zu beenden.
Geburtsbasilika könnte Moschee werden
Inzwischen hat der Sondergesandte des anglikanischen Primas George Carey für den Nahen Osten, Andrew White, darauf hingewiesen, dass ein Begräbnis der beiden während der Belagerung der Geburtskirche getöten muslimischen Palästinenser auf dem Kirchengelände zu einem "absoluten Desaster" führen würde. Die Muslime würden die beiden als Märtyrer betrachten und damit Anspruch erheben, dass deren Grabstätte eine muslimische Pilgerstätte ist. Dies wäre eine ähnliche Situation wie in Nazareth, wo die Muslime aus den selben Gründen auf dem Platz vor der Geburtsbasilika eine Moschee errichten wollen.
Die Kirchen hätten in Verhandlungen verhindern können, dass die beiden Leichname bestattet werden. Alle Bemühungen um einen raschen Abtransport seien aber bisher erfolglos gewesen, zeigte sich White enttäuscht über die verhärteten Positionen in dieser Frage. Er forderte eine Versorgung der in der Geburtsbasilika Eingeschlossen bzw. Verschanzten, auch wenn jene, die die Kirche mit Waffen besetzt halten, diese Heilige Stätte entweiht haben.
Kathpress
22. april 2002