Scharfe Kritik des Präsidenten des «Zentralkomitees der deutschen Katholiken» an dem Buch des amerikanischen Wissenschaftlers über Kirche und Holocaust
Bonn, 15.10.02 (KAP) Als «zutiefst unredlich» hat der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, das Buch «Die katholische Kirche und der Holocaust» von Daniel Goldhagen charakterisiert. Er warf dem Harvard-Professor «Maßlosigkeit» in Form, Sprache und Vorgehensweise vor. Mit keiner Quelle und keinem Beleg setze sich Goldhagen sachlich auseinander. Er greife stattdessen zu Unterstellungen, reiße Texte auseinander und verwende eine beschuldigende und verdächtigende Redeweise.
Meyer verwies auf eine «seit langem intensiv geführte innerkirchliche Auseinandersetzung über die Mitschuld des kirchlichen Antijudaismus an der Shoah» und auf den seit Jahren geführten christlich-jüdischen Dialog. Dies nehme Goldhagen in seinem Buch ebenso wenig zur Kenntnis wie zentrale kirchliche Dokumente und päpstliche Ansprachen aus der Zeit vor und nach der Shoah. Was immer von der Kirche oder von Christen für Juden getan worden sei, betrachte Goldhagen nur als Einzelfälle, die sein Gesamtbild nicht beeinträchtigen könnten. Überdies werde das Handeln der Christen als unzulänglich dargestellt, und ihre Beweggründe würden in den Schmutz gezogen. Selbst über den wegen seines Einsatzes für die Juden im KZ umgekommenen Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg rede der Autor in herabsetzender Weise.
Theologe übt Kritik
Auch der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hat das Buch «Die katholische Kirche und der Holocaust» von Daniel Goldhagen scharf kritisiert. Darin werde die Kirche lediglich als sündige, moralisch bankrotte Institution dargestellt, sagte der Wissenschaftler bei einem Podiumsgespräch mit Goldhagen in der Katholischen Akademie Hamburg. Die Geschichte der vergangenen 50 Jahre habe überhaupt keinen Eingang gefunden. Statt im Nachhinein zu urteilen, wäre es besser gewesen, sich in die Situation der damaligen Akteure zu versetzen, so Schockenhoff.
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nannte Goldhagens Arbeit abwegig und stark vereinfachend. Der Autor erwecke den Eindruck, die katholische Kirche trage Verantwortung für die Verfolgung und Ermordung von Juden während des Nationalsozialismus. Das müsse entschieden zurück gewiesen werden. Die Aussagen des Buches ließen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema nicht zu.
Goldhagen wirft der Kirche vor, den Holocaust ideologisch und praktisch unterstützt zu haben. Durch ihren Jahrhunderte alten Antisemitismus habe sie dem Massenmord den Weg bereitet und durch ihr Schweigen das Verbrechen nicht verhindert.
Kathpress
15. oktober 2002