Historischer Besuch Präsident Katzavs bei Papst Johannes Paul II.
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Vatikanstadt, 13.12.02 (KAP) Ein bemerkenswertes Kontrastprogramm haben Diplomaten und Vatikan-Beobachter beim Besuch von Israels Staatspräsident Moshe Katzav im Vatikan erlebt. Der als gemäßigter Likud-Politiker geltende Staatsmann wurde am Donnerstagvormittag zunächst von Papst Johannes Paul II. zu einem Vier-Augen-Gespräch empfangen, dessen Atmosphäre die israelische Botschaft beim Heiligen Stuhl später als «herzlich» bezeichnete. Beide Seiten, so die Botschaft, hätten Zusagen gemacht: Der Papst wolle eine seit langem von Israel gewünschte Verurteilung von Terrorismus und Antisemitismus veröffentlichen. Auf der Gegenseite habe Katzav versprochen, sich für den freien Zugang der christlichen Pilger nach Bethlehem in der Weihnachtszeit einzusetzen.
Etwa zeitgleich veröffentlichte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls ein Kommunique. Aus ihm ging in überraschend klarer Sprache hervor, dass es bei den Gesprächen Katzavs im Vatikan - nach dem Papst traf er Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano und Vize-Außenminister Pietro Parolin - offenen Dissens über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gab. Beide Seiten hätten «ihren jeweiligen Standpunkt dargelegt», hieß es in dem Statement - eine diplomatische Umschreibung dafür, dass ein Konsens nicht in Sicht war.
Trotz der unterschiedlichen Darstellungen war die Visite ein historischer Moment. Denn Katzav ist der erste Staatspräsident in Israels Geschichte, der den Papst im Vatikan besuchte. Für die Diplomaten beider Seiten war es darüber hinaus ein Erfolg, denn seit der Eskalation der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern in den vergangenen zwei Jahren war kein höchstrangiger Vertreter Israels mehr im Vatikan. Noch vor einem Jahr kam ein kurzfristig anvisierter Besuch des damaligen Außenministers Shimon Peres unter Hinweis auf «Terminschwierigkeiten» nicht zu Stande.
Nicht erst seit jener kleinen diplomatischen Panne galt das Verhältnis zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl als wenig glanzvoll. Auf jüdischer und israelischer Seite war wiederholt zu hören, der Vatikan nehme in dem blutigen Konflikt im Heiligen Land einseitig für die Palästinenser Stellung. Er verurteile die Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung nicht so vernehmbar, wie er dies umgekehrt bei israelischen Angriffen auf Palästinenser tue. Auch fehle ein klares Wort des Papstes angesichts neuer antisemitischer Tendenzen weltweit. Die Auseinandersetzungen um die Geburtskirche in Bethlehem im April dieses Jahres trugen ebenfalls nicht dazu bei, die Beziehungen zu verbessern. Während Israel sich eine klarere Distanzierung der katholischen Stellen von den palästinensischen Kirchenbesetzern gewünscht hätte, empfand der Vatikan das israelische Vorgehen bei der 39-tägigen Belagerung der Kirche als zu hart und wenig konstruktiv.
Wenn es jetzt dennoch zu einer Begegnung auf höchster Ebene kam, zeigt dies, dass das vatikanisch-israelische Verhältnis neun Jahre nach dem Abschluss des Grundlagenvertrages über die beiderseitigen Beziehungen relativ gefestigt ist und auch eine Reihe krisenbedingter Belastungen überstehen kann. Ein Pluspunkt war auch die langjährige persönliche Vertrautheit Katzavs mit dem Vatikan. Schon 1997 hatte er - noch als Vize-Premier seines Landes - in einer ungewöhnlichen Geste zusammen mit Kardinal Edward Cassidy an einer Feier zum jüdischen Chanukka-Fest in den vatikanischen Gärten teilgenommen und von einem «neuen Geist» in den beiderseitigen Beziehungen gesprochen. Später war er als Tourismus-Minister an der Vorbereitung des glanzvollen Papstbesuchs im Heiligen Land im Jahr 2000 mit beteiligt. Und aus seiner Zeit als Minister, der auch für den Pilgersektor zuständig war, kennt er die schwierige Lage der christlichen Minderheit im Heiligen Land besser als mancher andere israelische Politiker.
Dennoch konnte es nicht ausbleiben, dass es bei Katzavs Visite im Vatikan auch Dissonanzen gab. Zu weit liegen die Positionen über die Zukunft Palästinas und der Heiligen Stätten auseinander. Wenn das vatikanische Abschlusskommunique deutlicher die Meinungsverschiedenheiten betont, während die Israelis von einem «Wendepunkt» und dem päpstlichen Wunsch nach Vertiefung der Beziehungen sprechen, illustriert dies, welche Bandbreite von Sichtweisen derzeit in dem besonderen Verhältnis zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl möglich ist.
Kathpress
13. desember 2002