Vatikanstadt, 29.12.02 (KAP) Der Vatikan wird in wenigen Wochen seine Deutschland-Archive aus der Zeit von 1922 bis 1939 öffnen. Wie Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls mitteilte, werden die Deutschland betreffenden Archive vom 15. Februar 2003 an für Wissenschaftler zugänglich sein. Dabei sollen mehr Dokumente zugänglich gemacht werden als ursprünglich angekündigt. Neben den Akten des vatikanischen Staatsekretariats will der Vatikan nun auch einschlägige Dokumente aus dem Archiv der Glaubenskongregation freigeben. Aus letzteren könnten sich neue Rückschlüsse über die Entwicklung der kirchlichen Position zum Rassismus und zur nationalsozialistischen Ideologie ergeben.
Die Freigabe der Deutschland-Dokumente aus den Vatikan-Archiven geht auf eine persönliche Anordnung von Papst Johannes Paul II. zurück, der damit die sonst üblichen Diskretionsfristen außer Kraft gesetzt hat. Die Maßnahme wird von Archiv-Verantwortlichen im Vatikan als «außergewöhnliche Geste» des Papstes bezeichnet, die auch Anlass zur Kritik geben könne. So sei es wissenschaftlich umstritten, ob man begrenzte Teile eines Archivbestandes freigeben solle, wie dies der Papst angeordnet hat. Um dieser Kritik zu begegnen, arbeiten Vatikan-Archivare daran, bis zum Jahr 2006 den gesamten Archivbestand aus der Zeit von 1922 bis 1939 zugänglich zu machen.
Nahezu lückenlos
Der Vatikan öffnet seine Archive gewöhnlich rund 70 Jahre nach Ablauf eines Pontifikats, um noch lebende Personen zu schützen. Das bislang letzte für Wissenschaftler zugängliche Pontifikat ist jenes von Benedikt XV. (1914-1922). Die nun anstehende Öffnung der Akten aus der Ära Pius XI. (1922-1939) ermöglicht zusammen mit den bereits unter Paul VI. weitgehend publizierten Vatikan-Akten aus dem Zweiten Weltkrieg einen nahezu lückenlosen Einblick in die Politik der Päpste Pius XI. und Pius XII. gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern in Deutschland.
Kathpress
29. desember 2002