Friedensnobelpreisträger Erzbischof Tutu: «Nicht zulassen, dass Protest- und Meinungsfreiheit vom Druck des Patriotismus zermalmt wird»
Wien, 19.3.03 (KAP) Der weltweit zu Tage getretene Widerstand gegen einen Irak-Krieg darf nicht versickern und muss für die Zukunft fruchtbar gemacht werden. Das fordern der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und ehemalige anglikanische Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu, und der Washingtoner Nahost-Experte Ian Urbina in einem gemeinsamen Kommentar, der in der Mittwoch-Ausgabe der Wiener Tageszeitung «Der Standard» abgedruckt ist. «Wachsamkeit wird künftig dringender geboten sein denn je. Denn der Krieg in der Ferne bedeutet zugleich einen massiven Angriff auf unsere Bürgerrechte daheim. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Protest- und Meinungsfreiheit vom Druck des Patriotismus zermalmt wird», heißt es in dem Beitrag unter dem Titel «In dieser rabenschwarzen Zeit. Kleine Predigt für deprimierte Kriegsgegner».
Es falle schwer, in einer Situation wie dieser nicht zu verzweifeln und sich nicht ohnmächtig zu fühlen, stellen Tutu und Urbina fest. Millionen Menschen in der Welt hätten «mit brennendem Herzen und wachem Verstand dafür gekämpft, den bevorstehenden Ausbruch der Gewalt gegen den Irak zu verhindern». Wenn die Bomben fallen, werde sich «fast unvermeidbar eine tiefe emotionale Leere ausbreiten», für alle werde der Gedanke an die Zerstörung und deren Folgen quälend sein.
Der Kommentar erinnert an «viele dunkle Zeiten» der Geschichte - Sklaverei, Holocaust oder Vietnamkrieg - und warnt, «des Menschen Unmenschlichkeit sollte nie unterschätzt werden». Er erinnert aber daran, dass etwa der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika Tiefpunkte kannte und fast vor dem Scheitern stand. «Schließlich aber haben ihr Glaube und ihre moralische Kraft die Bürger doch dazu gebracht, das Richtige zu tun - und mit der Apartheid war es vorbei», so Erzbischof Tutu..
Wörtlich heißt es weiter: «Umso wichtiger scheint es, in einem solchen Moment des tiefen Schmerzes nach den Quellen der Hoffnung und der Unbeugsamkeit zu fragen, die heute rund um den Globus zu Tage treten. Nie zuvor in der Geschichte hat ein Krieg einen derart weltumspannenden und spontanen Widerstand ausgelöst. Millionen haben Stellung bezogen. Und von dieser 'Doktrin' eines moralischen Populismus sollten wir auch nicht mehr abrücken».
Viele Nationen, darunter viele der ärmsten, hätten auf die Stimme der Mehrheit ihrer Bürger gehört, die den Krieg verurteilen. Sie hätten auch die großen Geldsummen ausgeschlagen, die man geboten hatte, damit sie den militärischen Einsatz gegen den Irak unterstützen.
Kathpress
19. mars 2003