«Ausdruck des Scheiterns der Politik und Niederlage der Menschheit» - «Unser Mitgefühl gehört allen Opfern»
Rom-Brüssel, 20.3.03 (KAP) Zahlreiche christliche Bischöfe aus verschiedenen europäischen Ländern haben den am Donnerstag begonnenen Irak-Krieg scharf verurteilt. «Dieser Krieg ist Ausdruck des Scheiterns der Politik», erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in einer gemeinsamen Reaktion mit dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Manfred Kock, und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland, dem methodistischen Bischof Walter Klaiber.
Bei allem Verständnis für das Unrecht, das den Vereinigten Staaten durch die Terroranschläge des 11. September 2001 zugefügt wurde, und für die Verletzung ihres Sicherheitsgefühls «bedauern wir zutiefst die Entscheidung, mit Waffengewalt anzugreifen», heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme. Kirchen und christliche Gemeinschaften wie auch viele Menschen weltweit, die vor einem solchen Schritt gewarnt hatten, empfänden in diesem Moment große Trauer. «Denn Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Immer ist er eine Niederlage der Menschheit», so die Kirchenführer.
Man gebe sich «im Hinblick auf das menschenverachtende Regime von Bagdad keinen Illusionen hin», so die Erklärung. Kein Zweifel dürfe auch daran bestehen, «dass wir die in den USA und Großbritannien gepflegten politischen Werte teilen». Dennoch finde der jetzt eingeschlagene Weg des Blutvergießens den Widerspruch der Kirchenführer, denn wir sehen keine ethische oder völkerrechtliche Rechtfertigung für ihn.
Lehmann, Kock und Klaiber erinnern daran, dass auch der Krieg kein rechtsfreier Raum sei. Die Konfliktparteien stünden in der Pflicht, die Zivilbevölkerung während der Kampfhandlungen so weit wie nur irgend möglich zu schonen. Eine humanitäre Katastrophe müsse vermieden werden. Auch müssten alle Mittel der Politik ausgeschöpft werden, dem Krieg ein rasches Ende zu bereiten.
«Unser Mitgefühl gehört allen Opfern: den Toten und ihren Angehörigen, den Verwundeten und den Flüchtlingen», heißt es in der Reaktion weiter. Man ermutige alle Christen, das Schicksal all dieser Menschen in persönlichem und gemeinschaftlichem Gebet vor Gott zu tragen: «Wir appellieren an alle, keine Gelegenheit auszulassen, durch Hilfe das Leiden zu lindern. Wir bitten alle darum, Kontakt zu halten zu den Kirchen und christlichen Gemeinschaften im Nahen und im Mittleren Osten ebenso wie zu unseren Partnern in den USA». In dieser Stunde zeige sich auch erneut die Bedeutung des Gesprächs mit den muslimischen Nachbarn im eigenen Land und in der Welt.
Die belgischen Bischöfe kritisierten in ihrer Stellungnahme, vor dem Waffengang seien nicht alle Möglichkeiten des Völkerrechts ausgeschöpft worden. Sie appellieren an die politisch und militärisch Verantwortlichen, alles für ein schnelles Ende des Konflikts zu tun und für einen dauerhaften Frieden zu arbeiten.
Südtiroler Bischof: «Furchtbares Geschehen»
Der Bischof von Bozen-Brixen, Wilhelm Egger, reagierte auf den Kriegsbeginn im Irak mit den Worten: «In diesem schwerwiegenden Moment gilt unsere Anteilnahme den Menschen im Irak, die den Bomben ausgesetzt sind. Ein furchtbares Geschehen, wie sich der Papst, aber auch all jene Menschen erinnern, die unter dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges gelitten haben». Obwohl dieser Angriff groß angekündigt wurde, sei er deshalb nicht weniger erschreckend. Ausgeführt ohne die Unterstützung der Vereinten Nationen werde er auch das internationale weltpolitische Gleichgewicht verändern, so Egger. Der Bischof zitierte die Vatikan-Erklärung vom Wochenbeginn: «Wer entscheidet, dass alle friedlichen Mittel des Völkerrechts ausgeschöpft sind, der nimmt eine große Verantwortung auf sich - vor Gott, vor seinem Gewissen und vor der Geschichte».
Meisner: Friedensbemühungen dennoch «nicht vergeblich»
Nach den Worten des Kölner Erzbischofs, Kardinal Joachim Meisner, waren die Friedensbemühungen im Vorfeld des Irak-Krieges trotz des jetzigen Kriegsausbruchs nicht vergeblich. In einem Interview mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA sagte er am Donnerstag in Köln, vielleicht werde der «Krieg durch alles, was zu seiner Verhinderung unternommen wurde, begrenzter und weniger grausam». Den schuldlosen Opfern müsse unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit geholfen werden. Die kirchlichen Netzwerke seien auf Hilfeleistungen vorbereitet.
Aufruf zu Hilfe und Gebet
Die Kritik am Kriegsausbruch wird von zahlreichen Aufrufen und Einladungen zum Gebet für einen raschen Frieden begleitet. Kardinal Meisner betonte, er kenne kein wirksameres Mittel zur Beendigung eines Krieges und zur Erlangung eines gerechten Friedens als das Gebet. In der augenblicklichen Situation gelte tatsächlich das Wort: «Jetzt hilft nur noch beten». Er ermutige alle Menschen guten Willens, im Gebet nicht nachzulassen. Das Gebet könne lehren, «selbst immer mehr Menschen des Friedens zu sein».
Der Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, appellierte ebenfalls, gerade im Krieg weiter für den Frieden zu beten und zu arbeiten. Auch wenn die Folgen des Waffengangs noch unbekannt seien, dürfe dies die Menschen nicht zu Resignation, aber auch nicht zu unangemessenen Reaktionen führen, warnte der Kardinal: «Unsere Sorge muss sich jetzt auf die Menschen richten, die vom Tod bedroht und auf der Flucht sind». Die Sorge um die Zukunft verbinde sich mit der Hoffnung auf ein schnelles Ende des Krieges. Der Friede bleibe eine bleibende Aufgabe für alle.
«Für Frieden nie zu spät»
«Für den Frieden ist es nie zu spät», heißt es in einer Erklärung der Tschechischen Bischofskonferenz zum Kriegsausbruch. Es sei die «höchste Pflicht aller Verantwortlichen, alle sinnvollen Mittel zu nutzen, um den Frieden so schnell wie möglich wieder herzustellen». Zugleich forderten die Bischöfe, unverzüglich und ausreichend humanitäre Hilfe im Irak zu leisten, um die schrecklichen Leiden für die Zivilbevölkerung zu mindern.
Die Bischöfe erinnern daran, dass in Kuwait eine tschechische Abwehreinheit gegen einen Chemiewaffenangriff im Einsatz ist. Sie rufen dazu auf, für diese Soldaten zu beten. Die Entscheidung der Politiker für den Waffengang sei für die Öffentlichkeit nur mit großen Zweifeln nachzuvollziehen, kritisierten die Bischöfe. Sie äußern Zweifel, dass mit der Entscheidung, den Frieden mit Gewalt zu verteidigen und damit nicht nur den Tod von Soldaten, sondern auch schuldloser Opfer hinzunehmen, tatsächlich das «geringere Übel» sei.
Zahlreiche tschechische Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) forderten die Regierung und das Parlament in Prag auf, sich ausdrücklich gegen den Krieg im Irak ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates zu stellen. Ministerpräsident Vladimir Spidla erklärte dazu, Tschechien gehöre nicht zu Allianz jener Länder, die den Krieg gegen den Irak führen. Die tschechische Chemiewaffeneinheit stehe dafür bereit, im Falle des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen gegen die Zivilbevölkerung oder die Koalitionsarmeen einzugreifen, humanitäre Hilfe zu leisten und die Katastrophenfolgen zu beseitigen.
Niederländische Bischöfe: Zeichen der Schwäche
Die niederländischen Bischöfe erklärten, der Griff zu den Waffen sei ein «Zeichen der Schwäche und nicht der Stärke». Sie beklagten den Schaden für die internationale Rechtsordnung. Die dafür Verantwortlichen trügen eine schwere Verantwortung. Nach dem Ende des Krieges dürfe man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. An die niederländische Bevölkerung appellierten die Bischöfe, an einem friedlichen Zusammenleben zu arbeiten und das gute Klima trotz unterschiedlicher religiöser und kultureller Zugehörigkeit beizubehalten.
Frankreichs Kirchen: Krieg war nicht notwendig
Die christlichen Kirchen in Frankreich bezeichneten den Irak-Krieg als «nicht notwendig». Andere Wege hätten noch offen gestanden, heißt es in einer am Donnerstag in Paris veröffentlichten Erklärung der katholischen, der orthodoxen und der protestantischen Kirche. Nun sei zu hoffen, dass Hilfsorganisationen rasch Zugang zu den Opfern erhielten.
Die Kirchen warnen davor, dass jetzt in Frankreich Spannungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften verstärkt werden könnten. Die französischen Christen werden aufgerufen, mit den jüdischen und islamischen Gemeinden gemeinsame Friedensveranstaltungen zu organisieren. Es dürfe kein Zweifel darüber bestehen, «dass es für alle Gläubigen eine Gotteslästerung darstellt vorzugeben, man töte menschliche Brüder im Namen Gottes». Unterzeichnet ist die Erklärung vom Vorsitzenden der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jean-Pierre Ricard, dem orthodoxen Metropoliten Emmanuel und dem Präsidenten der Föderation französischer Protestanten, Pastor Jean-Arnold de Clermont.
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., sagte zum Irak-Krieg, er hoffe, dass die Menschheit «nicht neue Hekatomben von Opfern» anhäufe. Die grundlegende Voraussetzung für Frieden sei der Respekt vor der Heiligkeit des menschlichen Lebens, seiner Freiheit und Würde, zitierte die griechische Nachrichtenagentur ANA das Oberhaupt der Weltorthodoxie.
Moskauer Patriarch: Blutvergießen stoppen
Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Aleksij II., forderte die Allierten auf, das Blutvergießen unverzüglich zu stoppen und «tausende Schuldlose zu schonen». In einer von der Nachrichtenagentur Interfax zitierten Botschaft verlangte der Patriarch weitere Verhandlungen. Die Nachbarländer des Irak ermunterte Aleksij II. zur Aufnahme von Flüchtlingen.
Auch die Konferenz Europäischer Kirchen (CEC) verurteilte die Bombardierung des Irak. Es sei bedauerlich, dass nicht alle friedlichen Mittel ausgeschöpft worden seien und die UN-Inspektoren ihre Arbeit nicht hätten beenden konnten, sagte Generalsekretär Keith Clements in Genf. Der Krieg stehe in Widerspruch zum Völkerrecht, zur Charta der Vereinten Nationen und zum christlichen Glauben. In Zeiten, in denen die Gegensätze zwischen Christen und Muslimen sich zu vergrößern drohten, müssten alle Anstrengungen zum Dialog unternommen werden, so Clements.
Unterdessen betonten in Großbritannien Christen und Muslime in einer gemeinsamen Erklärung, keine der Glaubensgemeinschaften billige den Angriff. Der Konflikt dürfe nicht als Glaubenskrieg betrachtet werden, obwohl US-Politiker unglücklicherweise das Wort «Kreuzzug» verwendeten. Christen und Muslime seien jetzt umso stärker zum Dialog verpflichtet. Die Erklärung wurde von einer ökumenischen Initiative namens «Kirchen in Großbritannien und Irland gemeinsam» sowie vom britischen Muslimrat unterzeichnet.
Kathpress
20. mars 2003