Kardinal Ratzinger warnt vor Missbrauch des Namens Gottes, «um Gewalt zu rechtfertigen» - Kardinal Etchegaray: «Dieser Krieg erschüttert die ganze Welt» - Erzbischof Martino: «Mit noch etwas Druck hätte man alles erreichen können ohne Tote und Verletzte»
Vatikanstadt, 21.3.03 (KAP) Die vatikanischen Spitzenpersönlichkeiten sind sich in ihrer Negativbeurteilung von Kriegsausbruch und Kriegsrhetorik einig. Kardinal Joseph Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, unterstrich in einem RAI-Interview, der Name Gottes dürfe nicht verwendet werden, «um Gewalt zu rechtfertigen». Er finde diesen Sprachgebrauch «traurig», sagte Ratzinger und nahm damit auf die sowohl in Washington als auch in Bagdad betriebene Inanspruchnahme des göttlichen Willens für eigene Ziele Bezug. Zugleich unterstrich der Kardinal, dass nach katholischer Auffassung ein Präventivangriff niemals den Kriterien eines «gerechten Krieges» entsprechen kann.
Wörtlich sagte Kardinal Ratzinger: «Der Papst hat so oft betont, dass Gewalt niemals im Namen Gottes angewendet werden darf. Denn Gott ist die Versöhnung und der Garant des Friedens. Wir müssen Gott als den sehen, der uns vereint und nicht als den, der trennt und die Gewalt rechtfertigt».
Papst Johannes Paul II. hat nach den Worten des französischen Kurienkardinals Roger Etchegaray durch den Kriegsausbruch im Irak keinesfalls die Zuversicht verloren. Durch die vielen Initiativen des Pontifex seien «alle Menschen aufgerüttelt worden. Dies war ein Hauptanliegen des Papstes: Wir haben keine Niederlage erlitten», betonte Etchegaray im Gespräch mit dem «Corriere della Sera».
Der Irak-Krieg habe eine weltweite Dimension, unterstrich Kardinal Etchegaray, der als Sonderemissär des Papstes in Bagdad war. Man könne ihn zurecht als weltweiten Krieg definieren, denn sein Ausbruch «erschüttert in der Tat die ganze Welt, wie wir gerade sehen», betonte der Kardinal im Gespräch mit Radio Vatikan. Angesichts der enormen Bemühungen der vergangenen Wochen und Monate um Vermeidung eines Krieges könne man zurecht behaupten, dass «das Gewissen der Menschheit gleichsam erwacht ist oder wiedererwacht ist», so der Kardinal.
Der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden («Iustitia et Pax»), Erzbischof Renato Martino, sagte in einem RAI-Interview, der Papst sei «sehr enttäuscht und traurig» über den Ausbruch des Irak-Krieges. Johannes Paul II. habe alles getan, was in seiner Macht stand, um den Ausbruch der Feindseligkeiten zu vermeiden. Wörtlich meinte Martino, der als langjähriger Repräsentant des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York ein guter Kenner der amerikanischen Mentalität ist: «Der Irak hatte schon begonnen, nachzugeben. Mit noch etwas Druck wäre es möglich gewesen, alles zu erreichen ohne Tote und Verletzte. Es wäre möglich gewesen, alle Weg zu beschreiten, um die militärische Aktion zu vermeiden».
Kathpress
21. mars 2003