Wiege der Menschheit vom Krieg bedroht - Besonders die kulturellen Monumente Bagdads sind in höchster Gefahr
Bagdad-New York-London, 25.3.03 (KAP) Internationale Archäologen und Wissenschaftseinrichtungen haben die Amerikaner und Briten zum Schutz der zahlreichen historischen Stätten im Irak aufgerufen. Im Wüstensand des früheren Mesopotamien liege ein riesiges kulturelles Erbe der Menschheit aus mehr als 7.000 Jahren begraben. Das Zweistromland gilt als Wiege der Zivilisation.
Die außerordentliche Bedeutung der Monumente, Museen und anderen Stätten des früheren Mesopotamien verpflichte alle Völker und Regierungen zu ihrer Bewahrung, heißt es in einem in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Science» veröffentlichten Brief von Wissenschaftlern an die Regierungen in Washington und London sowie an die UNO. Das historische Erbe im Zweistromland sei durch die jetzigen Bombardements und Kämpfe sowie spätere mögliche Plünderungen in Gefahr.
Auch die Islamische Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur ISESCO forderte eindringlich den Schutz des irakischen Kulturerbes. Die internationale Gemeinschaft müsse die «amerikanisch-britische Aggression», die sich außerhalb des internationalen Rechts bewege, umgehend stoppen. Die beiden Angreifer trügen vor der Geschichte die Verantwortung für jede Zerstörung jahrhundertealter Kulturschätze im Irak, zu denen auch zahlreiche religiöse Stätten gehörten.
Der Potsdamer Archäologe Christian Tietze sagte im Gespräch mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA, die Sorge um die Menschen sei wichtiger als der Schutz alter Kulturgüter. Dennoch fürchte auch er um zahlreiche Monumente, zumal Amerikaner und Briten auf den parallel zu Euphrat und Tigris gelegenen alten Wegen nach Bagdad vorrücken wollten.
Im Gebiet zwischen den beiden Flüssen lebten Babylonier, Assyrer, Chaldäer und Sumerer. Ur, Babylon, Assur, Kisch, Larsa, Ninive und Nippur gehörten zu den bedeutendsten Großstädten ihrer Zeit; Ur gilt als Geburtsort Abrahams. Auch mit christlichen und islamischen Kulturschätzen ist der Irak reicht bestückt: Zu den spektakulärsten gehört Samarra nördlich von Bagdad, eine der größten Ausgrabungsstätten der Erde. Insgesamt gibt es nach Schätzungen von Archäologen etwa 10.000 historische Orte in der Region. Die Mehrzahl ist noch gar nicht erforscht und ausgegraben.
Die US-Regierung hatte schon im vergangenen Herbst Archäologen beauftragt, eine Karte der Kulturschätze im Irak zu erstellen. Der Irak selber kümmerte sich in den vergangenen Jahren wenig um die internationale Anerkennung seiner Kulturstätten: Auf der Liste des Weltkulturerbes findet sich lediglich die 1985 aufgenommene Parther-Stadt Hatra mit ihrer riesigen Tempelanlage in der Wüste. Im Jahr 2000 reichte die Regierung zwar eine Liste von sieben potenziellen Kulturerbe-Stätten ein, darunter auch Ur, Samarra und Assur, verfolgte die Projekte aber nicht mehr. Darüber hinaus kam es seit dem ersten Golfkrieg zu zahlreichen Plünderungen in den archäologischen Stätten; uralte Fundstücke tauchten auf dem westlichen Kunstmarkt auf. Nach Angaben Tietzes wurden westliche Archäologen von Ausgrabungsprojekten im Irak weithin ausgeschlossen.
Nach Einschätzung der Weltkulturorganisation Unesco sind im derzeitigen Krieg besonders die Kulturstätten Bagdads stark gefährdet: Gebäude wie die Kustansiriya-Moschee, der Abbasiden-Palast, der schon 1991 im ersten Golfkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, oder das Irak-Museum liegen dicht neben potenziellen Angriffszielen.
Kathpress
25. mars 2003