Französischer Bischof berichtete in Wien von jüngstem Irak-Besuch: Muslime schätzen friedliebende Haltung der Kirchen - Identifizierung von Christentum und westlicher Zivilisation im islamischen Bewusstsein wird aufgebrochen
Wien, 31.3.03 (KAP) Als «nicht zu unterschätzendes Zeichen» hat der französische Bischof Jacques Gaillot die klar ablehnende Haltung der christlichen Kirchen zum Irak-Krieg bezeichnet. Wie er sich bei einem Besuch im Irak vor drei Wochen überzeugen konnte, werde die in ihrer Einstimmigkeit erstmalige Kriegskritik des Papstes und der Kirchen mit großer Anerkennung wahr genommen. Die bisher im Islam vorherrschende Identifizierung von Christentum und westlicher Zivilisation werde damit aufgebrochen, «es gibt ein Umdenken», so Gaillot am Montag bei einem Pressegespräch in Wien. Der vor acht Jahren amtsenthobene frühere Bischof von Evreux befindet sich noch bis Dienstag auf einem Österreich-Besuch, er nahm am Bundeskongress der Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie (ACUS) in Wien teil und stellte sein neues Buch «Machtlos, aber frei» vor.
Sein einwöchiger Besuch im Irak habe den Zweck gehabt, für den Frieden zu beten und Solidarität mit dem irakischen Volk zu bekunden, erklärte Gaillot. Er sei mit Vertretern der dortigen Christen und mit hochrangigen Muslimen zusammengetroffen und habe auch mit irakischen Politikern gesprochen. Bei einem Besuch in Ur, der Heimat Abrahams, habe er versucht, den Papst «möglichst gut zu vertreten», dem eine Pilgerreise zu den heiligen Stätten im Irak vor zwei Jahren aus politischen Gründen verwehrt worden war. Jetzt denke er immer wieder in großer Sorge an die Menschen, die er auf seiner Reise kennen und schätzen gelernt habe, so Gaillot. «Die Iraker sind kein gefährliches Volk, sondern ein Volk in Gefahr», so sein damaliger Eindruck. Der Angriff der Amerikaner bewirke einen Schulterschluss zu Gunsten ihrer Heimat, nicht zur Absicherung der Macht Saddams.
Gaillot wies aber noch auf einen anderen «Krieg» hin, der weniger auffällig im Gange sei - einem «ökonomischen Krieg» des reichen «Nordens» gegen die Länder des «Südens». Europa müsse endlich das tun, was es auch in den Jahren der Kolonisation nie getan habe, nämlich effektive Entwicklungshilfe und Aufbauarbeit in den Jahrzehnte lang ausgebeuteten Ländern zu leisten. Auch die französische Wirtschaft profitiere massiv von der Ausbeutung der Arbeitskraft meist illegaler Zuwanderer, der «sans papiers» (Personen ohne Dokumente). Gaillot hält es für unmöglich, unter dem Unrecht des Weltwirtschaftssystems Leidende auf Dauer von den Industriestaaten fern zu halten. «Die Armen gehen dorthin, wo der Reichtum herrscht», und es sei legitim, seine Lebenschancen verbessern zu wollen, wenn Elend die Alternative ist. Der Bischof wandte sich scharf gegen eine «Cleenex»-Einwanderung, die Menschen benutzen und - wenn sie nicht mehr gebraucht werden - wieder «entsorgen» wolle.
Zu seiner Rolle innerhalb der katholischen Kirche sagte der amtsenthobene, aber mit dem französischen Episkopat seit zwei Jahren wieder versöhnte Bischof, er habe einen für viele der Kirche «Fernstehende» wichtigen Platz gefunden. Nach der Versöhnungsgeste des Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz habe er besorgte Stimmen gehört, er werde nun wieder «normales Mitglied der Hierarchie», sagte Gaillot. Er werde aber weiterhin für Randgruppen und Außenseiter Partei ergreifen.
«Es gibt auch eine Globalisierung des Friedens»
Auch in seinem Hauptreferat beim ACUS-Bundeskongress im Wiener Renner-Institut hatte Gaillot den Irak-Krieg verurteilt. Zugleich unterstrich er die Bedeutung der Friedensdemonstrationen in Frankreich und anderen Staaten: «Es gibt eine Globalisierung des Friedens - vor allem viele junge Menschen engagieren sich gegen den Krieg».
Die Kirche sei ein «prophetisches Zeichen für die Menschheit, wenn sie Ungerechtigkeit aufzeigt und bekämpft». Man könne das Evangelium nicht ohne Leidenschaft für die Gerechtigkeit verkünden, stellte Gaillot fest. Die Bergpredigt fordere von den Christen, politisch auf Seiten der Armen zu stehen und konkrete Hilfe für die sozial Schwachen zu leisten.
Bei einem Ökumenischen Gottesdienst beim ACUS-Kongress erinnerte der altkatholische Bischof Bernhard Heitz an das Pfingstereignis als Beispiel dafür, dass die Jüngerinnen und Jünger Christi die Fenster und Türen der Kirchen aufmachen sollen. Es gelte die barmherzige Gerechtigkeit Gottes zu bezeugen und sich überall dort in die Politik einzumischen, wo Unfrieden und Unrecht herrschen: «Der neoliberalen Globalisierung ist eine neu gelebte Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden entgegenzusetzen», so Heitz.
Kathpress
31. mars 2003