Bethlehem ein Jahr nach der Belagerung der Geburtskirche: Die Situation ist nach wie vor aussichtslos
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Jerusalem, 7.4.03 (KAP) Für die einen war es ein Sakrileg, für andere ein Kirchenasyl: 39 Tage lang war die Geburtsbasilika von Bethlehem im Vorjahr Brennpunkt des explosiven Nahost-Konflikts, besetzt von geflüchteten und teilweise bewaffneten Palästinenser und belagert von israelischem Militär. Dass es nicht zu einem Blutbad kam und das mehr als 1.500 Jahre alte Heiligtum fast unversehrt blieb, war auch dem Einsatz der christlichen Mönche, vor allem der Franziskaner, zu verdanken. Sie harrten in dem Kirchen-Komplex über der Geburtsgrotte aus, fungierten als Vermittler und Helfer, galten manchem als Kollaborateure oder als Geiseln - und waren nach dem friedlichen Ausgang die «Helden von Bethlehem».
Seither hat sich die Lage kaum verändert, auf jeden Fall nicht zum Besseren. Immer wieder gebe es Ausgangssperren für die zur Hälfte christliche Stadt, beklagen die Franziskaner, die zusammen mit griechisch-orthodoxen und armenisch-apostolischen Mönchen die Heiligen Stätten pflegen und schützen. «So breit das Interesse vor einem Jahr für Bethlehem war: Heute haben wir den Eindruck, die Europäer interessieren sich nicht mehr für das, was hier passiert», meint der aus Deutschland stammende P. Johannes Simon, Guardian des Franziskaner-Konvents an der Geburtskirche: «Während sich das Weltinteresse auf den Krieg im Irak konzentriert, wird hier weiter geschossen, weiter getötet, werden hier weiter Häuser zerstört».
Die soziale Situation in den Palästinensergebieten hat sich weiter zugespitzt. Die Arbeitslosigkeit ist enorm, sie belaufe sich heute auf 90 Prozent, betonte Simons Mitbruder P. Ibrahim Faltas. 85 Prozent der Bevölkerung seien vom Tourismus abhängig. Und war der Besucherstrom schon mit der zweiten Intifada ab Herbst 2000 stark eingebrochen, ist er im Zuge des Irak-Krieges ganz zum Erliegen gekommen.
Eine Friedenslösung im Heiligen Land scheint den Christen in Bethlehem auch nach dem jüngsten Vorstoß von US-Präsident George W. Bush noch in weiter Ferne. Laut seinem Projekt ist ein Palästinenserstaat für das Jahr 2005 angepeilt. «Das ist noch weit weg. Aber inzwischen gibt es auch Pläne, Jerusalem nach Süden zu erweitern, also Richtung Bethlehem», äußert P. Simon eine neue Besorgnis. Der israelischen Checkpoint soll von der «heißen Zone» am Rachel-Grab verlegt werden, in die Stadt Bethlehem hinein. Besondere Sorge bereite auch den Christen die geplante Mauer, mit der Israel sein Terrain künftig von den Palästinensergebieten abtrennen und gegen einsickernde Terroristen schützen will. Diese Mauer umzingele am Rachel-Grab die Häuser von 60 christlichen Familien, so die Franziskaner. Der Mauerbau würde Bethlehem isolieren und es von Jerusalem abtrennen: «Und wir wissen nicht, wie es dann mit dem Caritas-Hospital weitergehen soll». Die palästinensischen Christen würden durch diese Mauer regelrecht eingesperrt, ihre schwierigen Lebensbedingungen würden zementiert. Der Appell der Mönche: «Bethlehem muss ein zugängliche Stadt bleiben, in der man beten und in Frieden leben kann».
Der Irak-Krieg und seine potenzielle Gefahr für Israel und das Heilige Land hat auch die Franziskaner zu Vorkehrungen veranlasst. Auf Anordnung des Ordensoberen der Franziskaner im Heiligen Land, P. Giovanni Battistelli, haben sich die Patres des Konvents von Bethlehem Gasmasken besorgt, Vorräte angelegt und die geforderten Vorkehrungen getroffen, berichtet P. Simon. Immerhin leitet er in Bethlehem einen der größten Konvente des Heiligen Landes mit 30 Brüdern. Sie betreuen die Heiligen Stätten in und um Bethlehem, feiern Messen mit Pilgern, führen das (derzeit leer stehende Pilgerhospiz und zwei Schulen, organisieren Führungen und Vorträge und leiten die 5.000 Seelen zählende lateinische Pfarre von Bethlehem. Zudem absolviert der Ordensnachwuchs für die Region hier im Schatten der Geburtskirche einen Teil des Studiums.
Kathpress
7. april 2003