Johannes Paul II. erteilte in seiner Osterbotschaft allen neokolonialen Träumereien eine entschiedene Absage
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Vatikanstadt, 22.4.03 (KAP) Mit resoluter Eindringlichkeit hat Papst Johannes Paul II. zum Osterfest den Frieden im Irak beschworen und eine gerechte Nachkriegsordnung gefordert. Die Iraker müssten zu «Protagonisten des solidarischen Wiederaufbaus ihres Landes» werden - mit Unterstützung der Völkergemeinschaft, appellierte er in seiner weltweit übertragenen Osterbotschaft an ein Milliarden-Publikum. Resolut und mit ungewohnt kräftiger Stimme erinnerte der fast 82-jährige Papst zugleich an die «vergessenen Kriege und schleichenden Konflikte» in vielen Teilen der Welt. Vor allem im Heiligen Land scheine der «Weg der Gewalt und des Blutes» an kein Ende zu kommen.
Der Papst setzte zu Ostern seine eindringliche Friedensmission für den Nahen Osten fort. Die Osterbotschaft sei die Botschaft eines Friedens, der auf Liebe und Gerechtigkeit, auf Wahrheit und Freiheit gründet, erinnerte er an die von Johannes XXIII. in seiner großen Enzyklika «Pacem in terris» benannten «Säulen des Friedens».
Immer wieder wurde die 15-minütige Oster-Friedensbotschaft des Papstes durch langen Applaus von fast 100.000 Menschen auf dem Petersplatz unterbrochen. Der Beifall galt dem Friedensappell, der Absage an Hass und Gewalt. Aber er galt auch dem Papst, der sich mit seinem unbeirrten Eintreten gegen einen Waffengang weltweit Anerkennung und höchste Sympathiewerte erworben hat. Und der sich in überraschend guter gesundheitlicher Verfassung präsentierte: Die Stimme war ungewohnt klar und deutlich. Er sprach mit Energie und Emphase, mit lebhafter Mimik und Gestik, akzentuierte und modulierte seine Stimme. Er improvisierte, scherzte mit seinen polnischen Landsleuten, sang sogar den Osterwunsch in lateinischer Sprache. Kein Vergleich - so meinten Beobachter - zu seinem Auftritt zu Weihnachten, als er mühsam, monoton und oft unverständlich seine Botschaft verlas.
Ursache für das neue, dynamische Auftretens des Papstes sollen ein Sprachtraining,aber auch Physiotherapie sein. Zudem benutzt er neue Hilfsmittel wie einen in der Höhe verstellbaren rollenden Thronsessel, der ihm die Arme für eine aktivere Körpersprache freilässt. Dass ein «Wundermittel», etwa ein Papaya-Extrakt der Grund für die gesundheitliche Besserung sein soll, wird zwar vom Vatikan vehement dementiert, dennoch immer wieder behauptet. Sicher ist nur, dass der französische Mediziner Luc Montagnier dem Papst im vergangenen Juni ein solches Präparat überreicht hat. Keine Bestätigung gibt es, ob er es jemals genommen hat.
Der Oster-Friedensappell des Papstes stand in einem religiösen Kontext, enthielt aber zugleich präzise politische Forderungen. Die Irakis müssten den Wiederaufbau ihres Landes und die Gestaltung seiner künftigen Ordnung selbst und solidarisch in die Hand nehmen. Dieses aus der katholischen Soziallehre abgeleitete Postulat ist eine Absage an alle Formen neokolonialer oder sonstiger Abhängigkeiten. Zugleich warnte der Papst aber auch vor neuen religiösen Gegensätzen, vor einem Zusammenstoß der christlichen mit der islamischen Kultur. Eine solche Gefahr war vor dem Krieg wiederholt beschworen worden, dann aber im Bewusstsein vieler Fädenzieher angesichts militärstrategischer Erfolge sichtlich in Vergessenheit geraten. Die Freitagspredigten mancher Muftis und Imame, aber auch die Formierung eines schiitischen Widerstands lassen ein explosives Potenzial erahnen. Der Papst weiß, dass bei einer solchen Gemengelage die orientalischen Christen zu den ersten Opfern gehören könnten. Daher zählt der interreligiöse Dialog für ihn zum Gebot der Stunde.
Kathpress
22. april 2003