Vatikanstadt-Bagdad, 25.4.03 (KAP) Beim Aufbau einer neuen irakischen Gesellschaftsordnung spielen die Religionen eine Schlüsselrolle, stellte der emeritierte Kurienkardinal Achille Silvestrini im Gespräch mit Radio Vatikan fest. Der frühere Chef der vatikanischen Ostkirchenkongregation rechnet damit, dass sich die christliche Minderheit zwischen Euphrat und Tigris behaupten wird. Wörtlich meinte Silvestrini: «Die christlichen Gemeinschaften im Irak hatten immer Freiheit der Religionsausübung. Und jetzt erscheint das Christentum sowohl den sunnitischen wie den schiitischen Muslimen im Irak als Friedensbringer, weil der Papst so offen gegen einen Krieg gesprochen hat. Das ist eine Chance für die Christen - und es hat sie auch gerettet, denn ohne diese moralische Hilfe des Papstes würden sie jetzt Gefahr laufen, offen bekämpft zu werden».
Die Wallfahrt von mehr als einer Million Schiiten nach Kerbela in den letzten Tagen hat den Kardinal, der oft in der Region war, nicht alarmiert. Silvestrini: «Im Irak ist ein friedliches Zusammenleben der Schiiten mit den anderen religiösen Gemeinschaften durchaus möglich. In diesen Tagen erwacht in ihnen lediglich ein Freiheitsgefühl, das das Regime von Saddam Hussein bei ihnen jahrzehntelang unterdrückt hat. Aber es ist eine zutiefst religiöse, gläubige Gruppe, die auch die Christen nie bekämpft hat».
Kardinal Silvestrini glaubt, dass die Christen im Land jetzt die Gunst der Stunde nutzen werden, um zu zeigen, dass sie für den Irak so etwas wie die Brücke zur westlichen Welt sind: «Die christlichen Gemeinschaften könnten für den Wiederaufbau des Landes wichtig werden - und die Bischöfe haben das längst begriffen. Sie sorgen jetzt dafür, dass aus den christlichen Ländern des Westens Hilfsgüter herangeschafft werden. Damit leisten sie ihren Beitrag zum geeinten Zusammenleben aller Gruppen: Kurden, Schiiten, Sunniten und Christen».
Kathpress
25. april 2003