Druck Washingtons brachte in Ägypten aber auch mehr Achtung der der Religionsfreiheit
Wien, 6.5.03 (KAP) Für die Menschen im Nahen Osten ist offensichtlich, dass die eigentlichen Motive für die Intervention im Irak nicht zugegeben werden, betonte der ägyptische Jesuit P. Henri Boulad in einem «Kathpress»-Gespräch in Wien zum Auftakt einer Vortragstour durch Österreich und Bayern. Die Motive seien offensichtlich nicht die, mit denen argumentiert wurde - Massenvernichtungswaffen und Demokratisierung. Die Ägypter - namentlich die Christen - stellten sich die Frage, warum von Verfolgungen im Irak gesprochen wurde, aber nicht über Verfolgungen im Sudan. Für die Menschen im Nahen Osten hinterlasse alles den Eindruck: «Dieser Krieg und diese Politik riechen nach Öl», so Boulad.
Ägyptens Regierung habe keine Wahl gehabt, als die USA zu unterstützen, so der Jesuit: «Man hat zwar in den Medien den Krieg verurteilt, gleichzeitig aber den Suez-Kanal für die Alliierten geöffnet und für andere Transporte gesperrt». In der ägyptischen Diskussion über den Krieg verweise er immer darauf, dass dies kein Krieg «des Christentums» war, sagte Boulad. Insbesondere verweise er auf die Stimme von Papst Johannes Paul II., der von Anfang an klar gegen den Krieg war.
Zweifellos sei es aber auch dem Druck aus Washington zu verdanken, dass heuer das Weihnachtsfest der koptischen Christen erstmals als staatlicher Feiertag begangen wurde. Staatspräsident Hosni Mubarak hatte den 7. Jänner, das Weihnachtsfest der koptisch-orthodoxen Kirche, zum Feiertag für alle Ägypter, auch für Muslime, erklärt. Bisher hatten die Christen in Ägypten zwar zu Weihnachten arbeitsfrei, aber für die muslimische Mehrheitsbevölkerung war es ein normaler Arbeitstag. Die christliche Minderheit, der mindestens zehn Prozent der Bevölkerung angehören, hatte häufig kritisiert, dass sie ihre Feiertage nicht angemessen begehen könne. Wie Boulad sagte, hoffen die Christen, dass bald auch das Osterfest Feiertag sein werde.
Der Jesuit erwähnte, dass das Thema Religionsfreiheit auch im Mittelpunkt des großen Empfangs der österreichischen Botschaft in Kairo im März stand. Die Botschaft hatte hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu einem Vortrag über die österreichische Religionsgesetzgebung eingeladen. Er habe - so Boulad - in der Diskussion in der Botschaft gegenüber einem hochrangigen Berater von Präsident Mubarak gefordert, dass Christen im ägyptischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso viele Artikulationsmöglichkeiten bekommen wie Muslime im ORF. Weiters habe er bedauert, dass das staatliche Fernsehen aus Moscheen Hetzpredigten gegen Christen übertrage ohne Erwiderungsmöglichkeit zu geben.
In seiner Vortragstour durch Österreich und Bayern will P. Henri Boulad eine auch Nichtchristen einbeziehende christliche Spiritualität in der Schule des französischen Theologen Teilhard de Chardin vorstellen. Boulads Bücher sind mittlerweile in zwölf Sprachen erschienen. Zum Monatsende (27. bis 29. Mai) ist er Referent im Kardinal-König-Haus der Jesuiten. Höhepunkt der Boulad-Tournee wird aber ein von ihm gestaltetes Seminar zum Thema «Kirche, steh auf und geh!» im Rahmen der Aufbruchsbewegung «Weizer Pfingstvision» am 23./24. Mai sein.
Kathpress
6. mai 2003