Die von den Schulbrüdern geleitete Katholische Universität ist eine der wichtigsten palästinensischen Bildungseinrichtungen
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Jerusalem, 18.7.03 (KAP) Mit einem Festakt hat die Katholische Universität Bethlehem in diesen Tagen mehr als 400 Absolventen verabschiedet. Mit dem Diplom als Manager, Physiker oder Tourismusexperte in der Tasche drängen die jungen Palästinenser auf den Arbeitsmarkt - derzeit kein leichter Schritt, auch wenn Israels Militär soeben aus der Geburtsstadt Jesu abgezogen ist und erstmals seit Jahren wieder etwas Bewegung ins israelisch-palästinensische Verhältnis kommt. Die Jung-Akademiker verdanken ihre Ausbildung dem Vatikan und den Schulbrüdern, die die Universität leiten.
Seit fast 30 Jahren bildet die Universität Bethlehem akademischen Nachwuchs aus. Die Studiengänge sind praxisnah, am Bedarf der Region orientiert und wissenschaftlich auf anerkanntem Niveau. Das Zentrum für Biotechnik ist führend im arabischen Raum. Christen stellen zwei Drittel der Lehrkräfte und rund ein Drittel der rund 2.145 Studenten.
Die Beziehungen zwischen den Studenten seien «im Prinzip und traditionell gut», betont der Präsident und Vize-Kanzler der Universität, Br. Vincent Malham. Der aus den USA stammende Ordensbruder mit syrischen Vorfahren leitet seit sechs Jahren die Universität: «Jeder ist akzeptiert, alle werden gleich behandelt». Zwar gebe es hin und wieder Probleme, «aber generell sind wir stolz auf die Beziehungen zwischen christlichen und muslimischen Studenten». Man bemühe sich um Toleranz und Meinungsfreiheit. Zugleich lege man aber auch Wert auf den christlichen Charakter der Institution, «eine Herausforderung in einem Umfeld, das zunehmend muslimischer wird».
Ungezwungene Atmosphäre
Auf dem Campus der Universität, die auf dem höchsten Punkt von Bethlehems Bergen liegt, herrscht eine ungezwungene Atmosphäre. Muslimische Studentinnen mit Kopftuch reden mit modisch gekleideten christlichen Kommilitoninnen. Im Gegensatz zu den anderen Palästinenser-Unis haben in der Bethlehemer Studenten-Vertretung gemäßigtere Gruppen das Sagen. Allerdings dürfen auch hier Hamas-Anhänger gelegentlich bei Informationsveranstaltungen ihr Programm präsentieren.
Die Studenten müssen sich ihr Diplom mühsam erarbeiten. An 30 bis 40 Tagen fiel im vergangenen Studienjahr der Lehrbetrieb aus - wegen Ausgangssperre. «Das erste Problem für unsere Lehrer und Studenten ist, hier anzukommen», betont Br. Vincent. Wer außerhalb wohnt, etwa in Jerusalem oder in Hebron, muss die israelischen Checkpoints passieren. Und das bedeutet oft langes Warten - und viel Unsicherheit.
Die Universität hat finanzielle Probleme. Die Einnahmen aus Studiengebühren (pro Person jährlich 1.000 Dollar) decken die Kosten gerade zur Hälfte. Längst nicht alle Studenten können ihren Beitrag bezahlen. Jobs sind Mangelware; in der Region sind 65 Prozent ohne Arbeit, weil die Haupteinnahmequelle Tourismus weggefallen ist. Aber die Gehälter der 95 Vollzeit-, der 55 Teilzeit-Lehrer und der 70 Angestellten müssen gezahlt werden. Der Vatikan springt mit einem Zuschuss von etwa 15 Prozent ein, auch die Palästinenser-Regierung hat einen Beitrag zugesagt. Und die Schulbrüder werben um Spender und Sponsoren in Amerika, Europa und am Golf.
Lernen am Limit
Freilich hat die Uni Bethlehem schon schlimmere Zeiten gesehen. Insgesamt zwölf Mal war sie geschlossen, während der ersten Intifada zwischen 1987-90 komplett für drei Jahre. Allerdings ging der Lehrbetrieb teilweise außerhalb des Uni-Geländes weiter. Im vorigen Jahr, kurz vor der Besetzung der Geburtskirche, war der Campus vier Tage lang von mehr als 100 israelischen Soldaten besetzt. «Wir waren hier praktisch Gefangene», erinnert sich Br. Vincent. Zudem richteten vier Granaten in den Gebäuden erhebliche Sachschäden an. «Da half uns auch die Vatikan-Flagge auf dem Dach nicht», meint der Ordensmann. Ein ernstes Problem ist auch für die Universität die Abwanderung. 1.500 Christen verließen seit September 2000 Bethlehem und Umgebung. Per Zufall traf Malham vor kurzem bei einem Vortrag in den USA einen früheren Lehrer, der jetzt in St. Louis Karriere macht.
Seit einigen Monaten hat sich die Lage in Bethlehem etwas entspannt. Es kommen wieder einzelne Touristen, der Lehrbetrieb wird seltener behindert. Für die Universität hat sich aber mit dem Abzug der israelischen Soldaten nicht viel geändert, so ein Dozent. Die Checkpoints ringsum bestehen weiter. Gegenüber der «Roadmap» herrscht eine Haltung aus Skepsis und Abwarten.
Der Vatikan und die Schulbrüder fühlen sich in der Pflicht. Immerhin ist die Universität Bethlehem nicht nur eine wichtige Ausbildungsstätte, sondern auch der größte Arbeitgeber in der Region und damit ein ökonomischer Faktor. Zugleich leistet sie einen Beitrag zur Verständigung zwischen Christen und Muslimen und präsentiert sich in der gespannten Lage wie eine «Insel der Stabilität im Meer der Gewalt», wie Br. Vincent betont. Und damit sei sie «ein Symbol der Hoffnung für eine Zukunft in Solidarität».
Kathpress
18. juli 2003