Synode konnte sich bisher nicht einigen - Auswirkungen der Unsicherheit nach dem Irak-Krieg auch im innerkirchlichen Bereich
Bagdad, 9.9.03 (KAP) Die zur Wahl eines neuen Patriarchen in Bagdad versammelte Synode der chaldäisch-katholischen Kirche hat bisher keine Entscheidung getroffen. Nach dem Kirchenrecht muss jetzt Papst Johannes Paul II. entweder selbst einen neuen «Patriarchen von Babylon» ernennen oder die Tagungsdauer der Synode verlängern.
Der chaldäisch-katholische Patriarch Raphael I. Bidawid war am 7. Juli im Libanon verstorben. Unter den Synodalen herrschen offensichtlich tiefgehende Auffassungsunterschiede über den künftigen Kurs der Kirche, die ihren historischen Schwerpunkt im heutigen Irak hat. Durch die kontinuierliche Auswanderungsbewegung seit Beginn des 20. Jahrhunderts leben aber heute in der Diaspora - vor allem in den Vereinigten Staaten - fast genau so viele chaldäisch-katholische Christen wie in der einstigen Heimat. In einigen nordamerikanischen Städten wie Detroit oder San Diego gibt es ganz chaldäisch geprägte Viertel.
Der chaldäische Bischof der nordsyrischen Metropole Aleppo, Antoine Audo, schien zunächst der aussichtsreichste Kandidat zu sein. Er erhielt aber nur 12 von 20 Stimmen; für die Wahl zum Patriarchen hätte er 14 Stimmen benötigt, da das orientalische Kirchenrecht Zweidrittelmehrheit vorsieht. Nach Angaben aus Kirchenkreisen wurde gegen Audo - der aus dem Jesuitenorden kommt - ins Treffen geführt, dass er zu «lateinisch» geprägt sei und dass er das in der Umgebung von Mossul auch noch im Alltag gesprochene ostaramäische Idiom nicht beherrscht.
Auch zwei Bischöfe aus der amerikanischen Diaspora hatten Chancen - Bischof Sarhad Jammo, der die chaldäische Diözese «St. Peter the Apostle of San Diego» leitet, und Bischof Ibrahim Namo Ibrahim, dessen Sitz den Titel «Saint Thomas the Apostle of Detroit» trägt. Die beiden Bischöfe haben zwar keine «latinisierenden» Tendenzen, sondern stehen gerade in den USA fest auf dem Boden der ostsyrischen Tradition. Sie sind beide im Irak geboren, aber als naturalisierte «Amerikaner» bestehen gegen sie bei den Chaldäern in der Heimat Vorbehalte. Denn die Chaldäer hatten dem Baath-Regime wegen seiner säkularen Tendenz einiges abgewinnen können, während sie jetzt befürchten, vom sogenannten «Westen» aus Gründen des politischen Kalküls einem mehr oder minder islamistischen Regime ausgeliefert zu werden.
Die Probleme bei der Patriarchenwahl haben beim chaldäisch-katholischen Klerus im Irak Bitternis ausgelöst. «Gerade in dieser Zeit der Unsicherheit würde unsere Kirche eine klare spirituelle Führung brauchen, die auf der Höhe der Zeit ist», heißt es im Klerus.
Die chaldäisch-katholische Kirche ist der unierte Zweig der Kirche des alten Perserreichs. Die Apostolische Kirche des Ostens - früher fälschlich oft als «nestorianische» Kirche bezeichnet - hatte sich außerhalb der römischen Reichsgrenzen entwickelt und war vor allem aus politischen Gründen zur Reichskirche auf Distanz gegangen. Im sassanidischen Persien vor der islamischen Invasion kam es zwar immer wieder zu blutigen Christenverfolgungen, trotzdem ging die Christianisierung Mesopotamiens und des westlichen Iran rasch voran. Der Patriarch der Apostolischen Kirche residierte in der Doppelstadt Seleukia-Ctesiphon unweit des heutigen Bagdad, wo auch der Shahan-Shah seinen Sitz hatte.
Auch nach der islamischen Invasion breitete sich die Apostolische Kirche des Ostens weiter aus - bis nach Zentralasien, in die Mongolei, nach China und Japan. Der Patriarch zählte zu den einflussreichsten Persönlichkeiten am Hof des Kalifen in Bagdad. Erst die blutig-bürokratische Christenverfolgung unter Timur-Lenk («Tamerlan») beendete die Blütezeit der Kirche, die fortan auf Mesopotamien und Kurdistan beschränkt blieb. Im 16. Jahrhundert kam es zu einer Unionsbewegung, weil ein Teil der Bischöfe das System der erblichen Patriarchenwürde (vom Onkel auf den Neffen) nicht mehr akzeptieren wollte. Aus dieser Unionsbewegung entstand die chaldäisch-katholische Kirche.
Die kulturellen Leistungen der Apostolischen Kirche des Ostens, die das Wissen der Antike an den Islam weiterreichte, werden erst heute von der historischen Forschung gewürdigt.
Kathpress
9. september 2003