Attentat auf Zentralbüro einer christlichen Partei in Kirkuk - Chaldäisch-katholischer Erzbischof von Kirkuk sieht aber «Licht am Ende des Tunnels»
Bagdad, 28.10.03 (KAP) In Bagdad hat der erste «politische Kongress» der irakischen Christen stattgefunden. Wie der Administrator des chaldäisch-katholischen Patriarchats, Weihbischof Shlemon Warduni, betonte, sei es darum gegangen, das Denken der Christen unterschiedlicher Konfession zu bündeln, «um einen Beitrag zum Aufbau eines neuen Irak zu leisten». Der Kongress stand unter dem Generalthema «Unsere Einheit und unsere Rechte». Als Vertreter des US-amerikanischen Verwalters Paul Bremer erklärte Patrick Kanadi - ein amerikanischer Funktionär christlich-irakischer Herkunft -, die Christen im Irak seien die Erben einer uralten Kultur und einer großen Geschichte. Er neige sich vor einer Kirche, die trotz jahrhundertelanger Verfolgung ihre Tradition bis heute bewahrt habe.
Ein zentrales Thema beim «politischen Kongress» der irakischen Christen bildete die schwierige Sicherheitslage. In der Vorwoche war u.a. in der Erdölmetropole Kirkuk das Zentralbüro der «Christlichen demokratischen assyrischen Bewegung» mit Raketenwerfern angegriffen worden. Dabei wurde nach Angaben von Parteichef Ishak Zakaria der 29-jährige Jivan Gerios schwer verletzt. «Die assyrischen Christen sind friedliche Leute, die ihrem Land dienen wollen. Sie sind ein unverzichtbarer Teil des Irak», betonte Zakaria. Der Angriff auf das christliche Parteibüro in Kirkuk wird als Teil einer Einschüchterungskampagne fanatischer islamistischer Kreise gesehen.
Der neue chaldäisch-katholische Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako, hat inzwischen in einem Interview mit der italienischen Zeitschrift «Mondo e missione» die Zukunftsaussichten für die Christen im Irak vorsichtig optimistisch bewertet. Drei Kriege und zwölf Jahre Embargo hätten den Irak eine Million Tote und eine massive Auswanderungsbewegung gekostet, erinnerte der Erzbischof. Trotz des Widerstands gegen die anglo-amerikanische Besatzung seien die Menschen froh über den Sturz des Saddam-Regimes. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sehe man «Licht am Ende des Tunnels». In den letzten Monaten seien im Irak 80 neue Parteien - darunter fünf christliche - entstanden. Auch im Medienbereich gebe es eine starke christliche Präsenz.
Die US-Amerikaner seien natürlich «keine Engel», betonte Erzbischof Sako. Sie seien in den Irak gekommen, um ihre Interessen zu verteidigen, nicht um die Iraker zu befreien. Tatsächlich sei das Ergebnis ihrer Intervention aber Freiheit für das irakische Volk gewesen. Die Amerikaner hätten aber die Mentalität und die Gewohnheiten der Iraker nicht verstanden.
Der chaldäisch-katholische Erzbischof plädierte für ein massives Engagement der europäischen Staaten. Die Europäer müssten einerseits die Nachbarstaaten des Irak dazu veranlassen, das Einsickern islamistischer Terrorgruppen zu unterbinden, andererseits aber auch Hilfe beim Aufbau der Demokratie leisten: «Das amerikanische Modell ist nicht das einzige». Die Europäer dürften den Irak nicht den Amerikanern überlassen.
An die Kirchen im Westen richtete Erzbischof Sako den dringenden Appell: «Vergesst uns nicht!» Vor allem die Ordensgemeinschaften sollten sich im Irak engagieren, um einen entscheidenden Beitrag im Bildungswesen zu leisten.
Über die genaue Anzahl der im Irak verbliebenen Christen gehen die Angaben auseinander. Schätzungen sprechen von rund einer Million. Mehrheitskirche ist die chaldäisch-katholische Kirche, der «unierte» (mit dem Papst in voller Kirchengemeinschaft stehende) Flügel der Apostolischen Kirche des Ostens, der Kirche des alten Perserreiches, deren historisches Zentrum im Irak lag. Die Handlungsfähigkeit der chaldäisch-katholischen Kirche ist aber eingeschränkt, weil es der Synode nicht möglich war, nach dem Tod von Patriarch Raphael I. Bidawid einen Nachfolger zu wählen.
Kathpress
28. oktober 2003