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Publisert 12. november 2003 | Oppdatert 6. januar 2011

Beiruter Jesuitenpater Samir in «Kathpress»-Gespräch: Lösung nur mit zwei klar getrennten Staaten - Krise im Irak nur mit Hilfe der UNO zu bewältigen

Wien, 5.11.03 (KAP) Zwischen Israelis und Palästinensern kann es nur dann Frieden geben, wenn beide Seiten zu weit reichenden Zugeständnissen bereit sind. Das erklärte der in Beirut wirkende Jesuit P. Samir Khalil Samir in einem Interview mit «Kathpress» in Wien. Zunächst müssten beide Seiten alle internationalen Resolutionen und Entscheidungen über das Heilige Land anerkennen. Es könne nur zwei getrennte Staaten - Israel und Palästina - geben, von denen jeder volle Souveränität über sein Gebiet hat, so die Einschätzung des Jesuiten. Und keiner der beiden Staaten dürfe sich das Recht herausnehmen, die Grenze des anderen zu verletzen, aus welchen Gründen auch immer. Zur Sicherung dieser Grenze müssten nach Ansicht Samirs für einige Jahre UNO-Soldaten in einem Schutzstreifen stationiert werden, «bis beide Seiten gelernt haben, friedlich nebeneinander zu leben».

Die aus dem heutigen Gebiet Israels 1948 vertriebenen Palästinenser müssten ihrerseits auf ein Rückkehrrecht nach Israel bzw. Entschädigungszahlungen verzichten. Beide Regierungen müssten zudem der Gewalt abschwören; das treffe auch für die so genannten «Vergeltungsschläge» Israels zu. Für das Problem des Terrorismus gibt es - so der Jesuit - keine rasche und unmittelbare Lösung. Es werde noch über längere Zeit Palästinenser geben, die die Existenz Israels nicht akzeptieren. Man könne von Palästinenserpräsident Yassir Arafat nicht verlangen, seine Terroristen «unter Kontrolle» zu bringen. Beispielsweise hätten die USA die Terroristen auf ihrem eigenen Gebiet auch nicht unter Kontrolle, ebenso wenig habe Spanien bisher die baskischen Separatisten in den Griff bekommen.

Die USA könnten mehr für eine Friedenslösung im israelisch-palästinensischen Konflikt tun, betonte Samir; offensichtlich sei Washington derzeit dazu aber nicht bereit. Dabei seien die Palästinenser am Ende ihrer Hoffnung. Der Wiederaufbau in den Palästinensergebieten werde - wenn er einmal beginnen kann - Jahre dauern und viel internationale Hilfe benötigen.

Irak: «Alle Lösungen sind schlecht»

Zur Frage nach einem Ausweg aus der derzeit misslichen Lage im Irak meinte der Jesuit: «Alle Lösungen sind schlecht». Ein Rückzug der USA zum jetzigen Zeitpunkt würde das Land in völliges Chaos stürzen; und Chaos sei auch das Ziel der Terroristen. Die Folge wäre wahrscheinlich die Errichtung eines islamistischen Staates. Diese Entwicklung wäre für die Christen im Land genauso katastrophal wie die in Diskussion gebrachte Dreiteilung des Landes in einen kurdischen, sunnitischen und schiitischen Teil. Die Christen im Irak stellten sich zunehmend die Frage: «Wer wird uns verteidigen?»

Der einzige Weg zu einer Lösung der Krise im Irak führt nach Ansicht P. Samirs über die UNO, bei allen Problemen, die auch damit verbunden sind. Ein demokratisches System könne nicht über Nacht von außen verordnet werden, betonte er; das brauche zwei bis drei Generationen. Der Jesuit bekräftigte die kirchliche Haltung, dass der Einmarsch der US-amerikanischen und britischen Truppen in den Irak «illegal» und nicht zu rechtfertigen war. Massenvernichtungswaffen seien bisher nicht gefunden worden, und der Terrorismus - besonders der islamistische - wachse, anstatt besiegt zu werden, beklagte Samir. Saddam Hussein sei ein Diktator schlimmsten Ausmaßes gewesen, aber er habe genau gewusst, «dass der islamische Fundamentalismus eine Bombe ist».

Er habe den Eindruck, dass in der gesamten islamischen Welt der Hass auf die USA zunehme, so P. Samir weiter. Dabei seien die Gefühle vieler Muslime gegenüber den USA doppelgesichtig: Sie bewunderten die USA wegen ihrer Macht und wollten dorthin, und sie hassten Amerika, weil es seine Macht missbrauche.

Libanon: Vertrauen der Christen getrübt

Die Lage im Libanon bewertete der Jesuitenpater als «ruhig und dennoch nicht gut». Das Land sei politisch stark von Syrien kontrolliert und nicht frei, und Syrien fälle Entscheidungen, die gegen die Interessen des Libanons gerichtet sind. Nur die Christen würden Einspruch dagegen erheben, die Muslime stimmten zu oder schwiegen, auch wenn sie die Kritik teilen. Wirtschaftlich sei der Libanon - aus der Tradition der Libanesen als Handelsvolk - auch heute liberal. Die - großteils privaten - Medien würden aber stark politisch kontrolliert.

Dies alles mindere das Vertrauen der Christen in die Zukunft, der Exodus dauere an. Auch fehle den Christen - besonders den jungen Christen - eine «politische Führerschaft». Neben den Christen sorgten sich auch die sunnitischen Muslime, dass sie immer mehr von den Schiiten verdrängt werden. Er hoffe, dass einig muslimische Führer verstehen, dass der Verbleib der Christen im Libanon auch für die Muslime wichtig ist. Ihre Anwesenheit sei Garant «für mehr Offenheit, Liberalität und für Achtung der Menschenrechte». Dazu komme, dass ein wichtiger Teil der Sozialeinrichtungen von den christlichen Kirchen getragen wird.

EU-Beitritt der Türkei «sehr genau prüfen»

Im Hinblick auf einen EU-Beitritt der Türkei plädierte P. Samir für Vorsicht. Gewisse Sorgen und Vorbehalte gegen die Aufnahme eines mehrheitlich muslimischen Landes seien insofern berechtigt, als für überzeugte Muslime das «Gottesgesetz» eindeutig Vorrang vor menschlichen Satzungen habe. Daher müsse vor einer Aufnahme der Türkei bis in viele Details hinein geklärt werden, ob das Land tatsächlich zur Übernahme und Einhaltung europäischer Normen und Menschenrechtsstandards bereit ist. Das gelte etwa für die Gleichstellung von Mann und Frau, so Samir. Erst wenn die Türkei ihre Verfassung und ihr übriges Rechtssystem vorbehaltlos und tatsächlich angepasst habe, sollte einem Beitritt zugestimmt werden.

Generell sieht P. Samir in einem «europäischen Islam» ein wesentliches Element, die nicht-fundamentalistischen Strömungen in der islamischen Welt zu stärken. Dieser müsse aber ein «wirklich europäischer» Islam sein, die sich «an die hiesigen Regeln angepasst hat». Er dürfe nicht bloß «ein nach Europa importierter» Islam sein.

«Europa weiß nicht mehr, was es ist»

Das Problem sei, dass Europa heute offensichtlich «nicht mehr weiß, was es ist», so der Jesuit. Das zeige sich etwa an der Dikussion um den Gottesbezug und den Hinweis auf das christliche Erbe Europas in der Präambel der künftigen EU-Verfassung. Wenn man nicht einmal mehr die historische Tatsache anerkennen will, dass das heutige Europa wesentlich von seiner christlichen Geschichte geprägt ist, dann zeuge das von fehlender Identität. Ein weiteres Beispiel sei der in Italien von einem Neo-Muslim angezettelte Kruzifix-Streit. Samir befürchtet, dass dieses Europa aus falsch verstandener Toleranz, aus Unkenntnis und aus einer gewissen Naivität die Gefahren unterschätzt, die von islamischen Fundamentalisten ausgehen.

In Europa könnten die Islamisten - unter Ausnutzung der hiesigen Offenheit und Toleranz - ihre Ziele viel unbehelligter verfolgen als etwa in Ägypten, wo jeder um die von ihnen ausgehende Gefahr genau wisse, so der Jesuitenpater. Als Beispiel nannte er die Debatten um das so genannte «islamische Kopftuch». In der islamischen Welt wisse man sehr wohl, dass dieses spezielle Kopftuch, das nur das Gesicht frei lässt und den restlichen Kopf verhüllt, nicht «islamisch» ist, sondern lediglich aus Saudiarabien kommt. In Ägypten etwa sähen die traditionellen Kopftücher ganz anders aus und verhüllten nicht den ganzen Kopf. «Europa kennt den Islam nicht und noch weniger die Islamisten», so das Urteil Samirs.

Kathpress
5. november 2003

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