Jesuitenzeitschrift «Civilta' Cattolica» zitiert aus bislang unveröffentlichtem Archivmaterial des Heiligen Stuhls - Neue Aspekte der Haltung Roms gegenüber der Judenverfolgung
Rom, 15.1.04 (KAP) Der Vatikan zögerte nach Hitlers Machtergreifung aus taktischen Gründen zunächst mit einem offenen Protest gegen die ersten rassistischen Gesetze des Deutschen Reichs vom April 1933. Dies geht aus bislang unveröffentlichtem Archivmaterial des Heiligen Stuhls hervor, über das die Jesuitenzeitschrift «La Civilta' Cattolica» in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet.
Laut Recherchen der Zeitschrift hat Pius XI. nach den ersten lokalen Ausschreitungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland die deutschen katholischen Bischöfe zunächst aufgefordert, dagegen vorzugehen. Als dann aber die Juden per Gesetz aus staatlichen Stellen vertrieben wurden, habe der Papst vor einer öffentlichen Stellungnahme zurückgeschreckt, weil er nicht Berlin den Vorwand liefern wollte, den Protest als Einmischung des Vatikans in «innere Angelegenheiten» Deutschlands zu brandmarken.
Die deutschen Bischöfe hätten es für ihre Aufgabe gehalten, vor allem die Katholiken, einschließlich der konvertierten Juden, zu schützen, so die Zeitschrift. Allerdings habe es bei einzelnen Vertretern des Episkopats «wahrscheinlich» auch Sympathien für einzelne Aspekte der neuen Gesetzgebung gegeben.
Es gebe trotz dieses Zögerns keinen Zweifel daran, dass der Vatikan bereits die antisemitische Tendenz des frühen Nationalsozialismus verurteilt habe. So habe der Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo sie in einem internen Schreiben vom 11. April 1933 als «unwürdigen Makel» bezeichnet. Dennoch, so «La Civilta' Cattolica», habe der Heilige Stuhl in der Frühphase des Nationalsozialismus zunächst abwarten wollen, in welche Richtung sich das Regime weiter entwickle.
So habe sich der Vatikan beim Besuch des deutschen Vizekanzlers Franz von Papen im April 1933 in Rom für die Juden eingesetzt, der Vizekanzler habe damals Zusagen gemacht, diese aber nicht eingelöst. Erst als die Regierung Hitler sich bald nach Abschluss des Konkordats von 1933 als offen antichristlich erwies, habe der Papst 1937 in der Enzyklika «Mit brennender Sorge» eindeutig auf den Rassismus und die Staatsvergötzung des Regimes reagiert.
Aus dem anfänglichen Zögern des Heiligen Stuhls, so die Zeitschrift abschließend, habe eine antikirchliche Geschichtsschreibung die Legende konstruiert, dass der Vatikan mit Hitler und seinen politischen Zielen stillschweigend einverstanden gewesen sei.
Kathpress
15. januar 2004