Vatikanstadt, 8.6.04 (KAP) Der Vatikan hat die vollständige Veröffentlichung seines Archivmaterials über die Kriegsgefangenen- und Vermisstenhilfe des Heiligen Stuhls aus den Jahren 1939 bis 1947 angekündigt. In einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung des vatikanischen Geheimarchivs heißt es, die Original-Karteikarten mit Informationen zu mehr als 2,1 Millionen Kriegsgefangenen und Vermissten würden auf acht DVD publiziert. Gleichzeitig wird in zwei Bänden ein Inventar sowie eine Dokumentenauswahl in Buchform unter dem Titel «Inter arma caritas» (Nächstenliebe zwischen den Waffen) veröffentlicht. Buch und DVD können direkt beim vatikanischen Geheimarchiv unter der Mail-Adresse asv@asv.va oder per Fax (0039/06/69.88/55.74) bestellt werden. Die alphabetisch geordnete DVD-Sammlung kann nur komplett erworben werden und kostet 400 Euro, die beiden Buchbände werden um 75 Euro abgegeben. Die Publikation soll laut der Ankündigung noch in diesem Monat erfolgen.
Für die Suche nach Kriegsgefangenen und Vermissten richtete Pius XII. 1939 ein eigenes Informationsbüro beim vatikanischen Staatssekretariat ein, das unter Leitung von Substitut Giovanni Battista Montini (später Paul VI.) von dem russischen Erzbischof Aleksander Evreinoff geführt wurde. Der Papst wollte damit Millionen von Familien, die durch den Krieg zerrissen wurden oder Angehörige vermissten, unabhängig von ihrer politischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit helfen. Zu den erhaltenen Dokumenten zählen Briefe, Formulare, Telegramme, Botschaftsberichte, Gefangenenlisten und vor allem private Korrespondenz an und von Kriegsgefangenen.
«Geschichte von unten»
In seiner Ankündigung betonte das Geheimarchiv, dass die Veröffentlichung zeitlich weit über den von Papst Johannes Paul II. angeordneten Rahmen der allgemeinen Archivöffnung im Vatikan hinausgehe, die zunächst nur bis zum Jahr 1939 reicht. Es handle sich um einen in sich geschlossenen Archivbestand, der nichts mit politischen und religiösen Problemen zu tun habe, der aber dennoch eng in den Kontext des Zweiten Weltkriegs gehöre. Die Veröffentlichung entspreche dem derzeitigen Trend einer Geschichtsschreibung «von unten», die das Alltagsleben der Betroffenen in den Mittelpunkt stelle.
Kathpress
8. juni 2004