Johannes Paul II. wagte sich auf kirchlich schwieriges Terrain
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Bern, 5.6.04 (KAP) Fast ein Jahr konnte Johannes Paul II. - gesundheitsbedingt - keine Auslandsreise unternehmen: Am Samstag landete er zu seinem 103. Auslandsbesuch in der Schweiz. Einen Tag, nachdem er in Rom US-Präsident George W. Bush ins Gewissen geredet hatte, betrat er das kirchlich nicht einfache Terrain der Schweiz. Im Mittelpunkt der zweitägigen Visite stand die Teilnahme am Nationalen Katholischen Jugendtreffen.
Manches war anders beim Empfang des Papstes in der Schweiz als sonst bei Auslandsreisen des Kirchenoberhaupts. Keine jubelnden Gläubigen mit Gruß-Transparenten und Sprechchören. Kein Staatsprotokoll mit Hymnen und Ehrenformationen. Die Begrüßungszeremonie durch Bundespräsidenten, Regierungsvertreter und Kirchenspitze des Landes fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: Still wurde der Papst in seinem Rollsessel über den roten Teppich zu einem Hangar auf dem Militärflughafen Payerne geschoben, in dem die offizielle Begrüßungszeremonie stattfand.
Die war freilich nicht weniger freundlich als andernorts. Bundespräsident Joseph Deiss begrüßte den Papst und hieß ihn mit aufrichtiger Freude auf Schweizer Boden willkommen. Er erinnerte an die erste Papstreise 1984 vor fast auf den Tag genau 20 Jahren, und strich viele Gemeinsamkeiten zwischen Schweiz und Vatikan heraus: aktive Friedenspolitik, Respekt des Völkerrechts, Vorrang des Rechts vor einem Recht des Stärkeren, Schutz der Menschenrechte. Und schon bei der Begrüßung machte er die Überraschung perfekt, über die bereits seit Tagen spekuliert worden war: Die Schweiz will ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan «den heutigen Gegebenheiten anpassen». Statt eines Sonderbotschafters wird die Eidgenossenschaft künftig einen ordentlichen Botschafter an den Heiligen Stuhl entsenden.
Deiss sprach in seiner Begrüßungsrede aber auch bereits den Punkt an, der in den vergangene Jahrzehnten immer wieder im Verhältnis zwischen der demokratieverwurzelten Schweizer Kirche und dem Vatikan zu Spannungen geführt hat: «In einem Land der Demokratie und der kulturellen Vielfalt ist es natürlich, dass Lehrmeinungen und Gebote Eurer Heiligkeit intensive Diskussionen auslösen». Dies, so versicherte der Katholik Deiss, geschehe jedoch immer in Anerkennung der Tatsache, «dass Sie auf diese Weise zum Nachdenken über gesellschaftlich zentrale Fragen anregen». Gerade das unerschrockene Engagement des Papstes für Frieden, Gerechtigkeit und Werte finde in der Schweiz ungeteilte Anerkennung und sei für die gesamte Bevölkerung der Schweiz von großer Bedeutung.
Johannes Paul II. ging auf die Spannungen der vergangenen Jahre zunächst nicht direkt ein. In seiner Begrüßungsrede, die er mit kräftigerer Stimme verlas als Tags zuvor die Ansprache an Präsident Bush, äußerte er seine Freude über den Besuch: «Erneut darf ich hier einem Volk nahe sein, dass zugleich alten Traditionen verpflichtet und für Neues offen ist». Er konzentrierte sich auf den eigentlichen Zweck seines Besuchs, die Teilnahme an dem Nationalen Katholischen Jugendtreffen. Und er begründete auch, warum er trotz seiner angeschlagenen Gesundheit die Strapazen dieser Reise auf sich nahm: Es sei für ihn eine Pflicht, das Evangelium zu verkünden und sich auf die Pfade der Welt zu begeben, um es den Menschen des dritten Jahrtausends zu überbringen, vor allem der Jugend. Wer Christus glaube und ihm folge, baue mit «an der Gesellschaft der Liebe und des Friedens».
Nicht wie früher im offenen Papamobil, sondern in einem grauen Kleinbus mit dem klassischen Kennzeichen SCV-1 fuhr der Papst die 50 Kilometer vom Flughafen nach Bern. Entlang der Fahrstrecke standen nur wenige Schaulustige. Unterdessen strömten die Jugendlichen zum Expo-Gelände der Hauptstadt. Die breite Öffentlichkeit nahm freilich von dem Gast aus Rom wenig Notiz. «Kein Willkommensschmuck für den Papst, dafür Sprayereien gegen ihn. Gleichgültigkeit bis Abwendung in der lokalen Bevölkerung», schrieb die liberale Zeitung «Der Bund» in ihrer Samstagausgabe. Und in der Nähe des Berner Expo-Geländes, wo der Papst am Abend erwartet wurde, war ein massives Polizeiaufgebot postiert, um Ausschreitungen zu verhindern. Einzelne Aktivisten des «Schwarzen Blocks» wurden in Gewahrsam genommen.
Kathpress
5. juni 2004