Der von Krankheit und Alter schwer gezeichnete, aber unbeugsame Papst wurde in Lourdes begeistert gefeiert
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Lourdes, 15.8.04 (KAP) Mehrere hunderttausend Pilger aus aller Welt haben Papst Johannes Paul II. am zweiten und letzten Tag seiner Pilgerreise nach Lourdes begeistert gefeiert. Die 104. Auslandsreise Johannes Pauls II. war die zweite in den südfranzösischen Marienort, bereits 1983 hatte er Lourdes besucht. Der von Krankheit und Alter schwer gezeichnete, aber unbeugsame Papst, zelebrierte am Sonntag auf der «Prairie» von Lourdes die Heilige Messe vor 300.000 Gläubigen. Mit ihm konzelebrierten die Bischöfe aller Diözesen Frankreichs sowie der Nachbarländer.
Wie immer in Lourdes hatten die Kranken und Behinderten bevorzugte Plätze. Immer wieder wandte sich der Papst während seines zweitägigen Besuches an die Kranken. Er teile mit ihnen «einen Lebensabschnitt, der von physischem Leiden gekennzeichnet ist, der aber keinesfalls weniger wertvoll ist», betonte der 84-Jährige, der als Gehbehinderter und Parkinsonkranker selbst tagtäglich leidet. Zahlreiche Behinderten-Sonderzüge, vor allem aus Frankreich sowie aus den Nachbarländern Italien, Niederlande, Belgien, Deutschland und Spanien, waren nach Lourdes gekommen, um mit dem Papst zu beten und zu feiern.
Dennoch waren es nicht die Rollstuhlfahrer, die das Bild der Masse prägten. Es war eine überraschend bunte und erstaunlich junge Menge, die sich am Ufer des Flusses Gave zur Papstmesse versammelt hatte. Viele junge Familien waren gekommen, eine auffallend große Zahl von Pilgern aus Afrika und französischen Überseegebieten, dazwischen immer wieder Vietnamesen, Inder und andere Asiaten. Stark vertreten waren neben «klassischen» Ordensleuten auch die neuen geistlichen Bewegungen, von «Emmanuel» bis zur «Gemeinschaft der Seligpreisungen». Unübersehbar auch die Präsenz der in der Behindertenarbeit aktiven Gruppe «Arche», eine Gründung des Kanadiers Jean Vanier, der am Vorabend neben dem Papst das Rosenkranzgebet geleitet hatte.
Offenbar trägt in Frankreich die Strategie des Papstes Früchte, auf diese Gruppen - die in der Kirche zunächst eine marginale Position hatten - als Sauerteig bei der kirchlichen Wiederbelebung zu setzen. Die Familie Ravignot aus Paris ist ein Beispiel. Benedicte, mit 38 Mutter von vier höchst lebhaften Kindern, ist als 21-jährige zum ersten Mal nach Lourdes gekommen. Sie war damals ausgebrannt und orientierungslos, erinnert sie sich. Eine Pilgerfahrt mit Behinderten hat sie auf den Boden der Realität zurückgebracht, nach und nach fand sie zur Quelle des Glaubens zurück. Ihr Mann Antoine, Angestellter in einer Computerfirma, verneint lachend, dass er oder seine Frau Mitglied in einer geistlichen Bewegung seien. Er fühle sich ihnen aber nahe, und scheue den Kontakt mit «Emmanuel» ebenso wenig wie mit Benediktinern. «Wir lassen uns von allen inspirieren, die etwas für die Erneuerung der Kirche tun. Und er hat viel dazu getan, dass sich etwas bewegt», sagt er und deutet auf den Papst, dessen Gesicht auf dem Großbildschirm zu sehen ist.
Der Papst kann auf Gläubige wie diese zählen. Wenn er ihnen zuruft: «Seid freie Frauen und Männer, aber denkt daran, dass die Freiheit von der Sünde gezeichnet ist und der Befreiung durch Christus bedarf», dann weiß er, dass sie das genauso sehen. Für Frankreichs praktizierende Katholiken ist das Pilgern nach Lourdes immer wieder ein Zurück zu ihren geistigen Kraftquellen. 2,5 Millionen Franzosen werden hier jedes Jahr gezählt, sie stellen den Löwenanteil unter den insgesamt sind sechs Millionen Pilgern. Nicht umsonst versammeln sich auch die französischen Bischöfe seit Jahrzehnten zu ihren jährlichen Treffen nicht in Paris, sondern in Lourdes. Die Ausstrahlungskraft des Marienortes ist nach fast 150 Jahren ungebrochen.
Der Papst hat sich in Lourdes noch mehr als bei früheren Gelegenheiten auf das persönliche Gebet konzentriert. Dennoch hatte auch die 104. Auslandsreise einige politische Höhepunkte, angefangen von einem ausführlichen Treffen mit Präsident Jacques Chirac am Samstagvormittag. Zeitweise wurde sein Aufenthalt von antisemitischen Vorfällen in Paris und vom anhaltenden Irakkrieg überschattet. Beidem trug der Papst mit einem leidenschaftlichen Appell gegen Gewalt und Hass beim Abendgebet mit den Pilgern am Samstag Rechnung. Er zeigte damit, dass Versenkung ins Gebet nicht gleich bedeutend ist mit politischer Gleichgültigkeit. Auch darin weiß sich Johannes Paul II. einig mit den aktiven französischen Katholiken.
Kathpress
15. august 2004