Fast im Teich ertrunken Apr 16, 2005 Dass er einmal Kardinal werden sollte, wusste Joseph Ratzinger schon im Kindergarten. Von seinem älteren Bruder Georg ist verbürgt, dass der Bub nach einem Besuch von Kardinal Michael Faulhaber in der Kindertagesstätte seiner damaligen bayerischen Heimat Tittmoning spontan sagte: "Ich werde auch einmal Kardinal".
(dpa, 15. April 2005) Vor allem das prächtige Ornat des Kirchenfürsten soll es dem Knaben angetan haben. Es dauerte dann freilich noch 45 Jahre, bis es tatsächlich so weit war: 1977 setzte Papst Paul VI. dem gerade erst zum Erzbischof von München und Freising geweihten Theologieprofessor das rote Kardinalsbirett auf.
Am Samstag wird Ratzinger 78 Jahre alt und zählt zu den Favoriten des Konklaves, das am Montag in Rom zusammen tritt und einen neuen Papst wählt. Mit 50 Jahren war Ratzinger einer der jüngsten Kardinäle in der jüngeren Kirchengeschichte. Sein Kinder-Berufswunsch war damit zwar in Erfüllung gegangen, der für einen Deutschen beispiellosen Kirchen-Karriere sollten freilich noch weitere Schritte folgen. 1981 holte Papst Johannes Paul II. den Gendarmensohn als Präfekt der Glaubenskongregation und damit letzte Instanz in allen Fragen der katholischen Glaubenslehre in den Vatikan. 2002 krönte Ratzinger seine Karriere mit der Wahl zum Dekan des Kardinalskollegiums.
Häufige Umzüge
Über den Privatmann Joseph Ratzinger ist nur wenig bekannt. In seinen 1997 in Italien erschienen Erinnerungen "Aus meinem Leben" schreibt er, dass die Kardinals-Karriere schon in der frühen Kindheit beinahe jäh beendet worden und er in einem Karpfenteich ums Haar ertrunken wäre. Die ersten Lebensjahre waren von häufigen Umzügen geprägt, da der Vater als Polizist regelmäßig versetzt wurde. Bis Joseph in die Schule kam, hatte die fünfköpfige Familie schon drei Mal den Wohnort gewechselt.
Aus den Erinnerungen geht auch hervor, dass er ein rechter Eigenbrötler gewesen sein muss: "Ich gehöre zu den Menschen, die nicht fürs Internat geschaffen sind", schreibt Joseph Ratzinger über die ersten Erfahrungen als Gymnasiast im Erzbischöflichen Knabenseminar von Traunstein. "Ich hatte studiert, wie ich wollte, und meine eigene kindliche Welt gebaut. Nun in einen Studiersaal mit etwa 60 anderen Buben eingefügt zu sein, war für mich eine Folter."
Keinen Draht zum Sport
Nach mehr quälte ihn freilich der tägliche zweistündige Pflichtsport, "da ich sportlich nun einmal ganz unbegabt bin". Zum Privatmenschen Joseph Ratzinger gehörte stets der enge Kontakt zu seinen Geschwistern Maria und Georg, von denen nur noch der Bruder lebt. Beide wurden am 29. Juni 1951 in Freising zu Priestern geweiht. Während sich der Ältere der Kirchenmusik zuwandte und von 1964 bis 1994 Domkapellmeister in Regensburg und damit Chef der weltberühmten Domspatzen war, blieb der Jüngere der Theologie treu.
Maria Ratzinger folgte ihrem Bruder Joseph auf allen Stationen. Sie besorgte dem Kurienkardinal bis zu ihrem überraschenden Tod 1991 auch in Rom den Haushalt und holte Bayern wenigstens am Esstisch in die Ewige Stadt. Ratzingers Habilitation über den Kirchenlehrer Bonaventura wäre übrigens 1956 beinahe schief gegangen. Wegen Missverständnissen mit den Prüfern musste er die Arbeit nachbessern und erlangte den begehrten Professorentitel erst im zweiten Anlauf. "Eine Welt drohte für mich zusammenzubrechen", erinnert er sich dazu in seinem Buch.
Ein paar Takte am Klavier
Ratzingers Karriere hing demnach schon einmal am seidenen Faden. Noch heute sehen sich die Brüder Joseph und Georg regelmäßig. "Joseph kommt jedes Jahr mindestens viermal für mehrere Tage zu mir nach Regensburg", berichtet der 81-jährige Prälat, der seit seinem Abschied von den Domspatzen vor elf Jahren Ruhestandspriester an einem Kollegiatstift ist.
Im Vorort Pentling hat Joseph Ratzinger ein bescheiden eingerichtetes Haus, in das er sich trotz Urlaubs in Bayern abends regelmäßig zu theologischen Studien zurückzieht. Wenn er tagsüber bei seinem Bruder ist, kann es durchaus passieren, dass er sich an den Flügel setzt und ein paar Takte Klavier spielt. "Hör nicht so genau hin", sagt dann ausgerechnet der Mann zu seinem Bruder, auf den in diesen Tagen die gesamte katholische Welt hört. Wenn Georg Ratzinger auf das Konklave angesprochen wird, schließt er die Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst kategorisch aus: "Mein Bruder wird ganz bestimmt nicht Papst", wiegelt er beinahe beschwörend ab.
KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste) (19. april 2005)