Kardinal Cassidy und LWB-Präsident Krause bei Pressekonferenz in Augsburg: Nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre werden nächste strittige Fragen angegangen
Augsburg, 29.10.99 (KAP) Die katholische Kirche und der Lutherische Weltbund (LWB) wollen mit weiteren gemeinsamen Gesprächen zur Einheit der Kirchen gelangen und die noch verbleibenden Schwierigkeiten überwinden. Das machten hochrangige Kirchenvertreter am Freitag vor Journalisten in Augsburg deutlich. In der Stadt wird am Sonntag die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" unterzeichnet.
Dieses "historische Ereignis" mache deutlich, dass Katholiken und Lutheraner nicht mehr Gegner seien, sondern "Schwestern und Brüder im Glauben", betonte Ishmael Noko, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes. Kardinal Edward Idris Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen, sagte, mit dem Dokument würden nach einem 35-jährigen Dialog-Prozess Schranken zwischen den Konfessionen überwunden, die früher unüberwindbar schienen. Damit öffne sich eine "Tür für die Zukunft". An den noch strittigen Fragen etwa über das Wesen der Kirche und das geistliche Amt müsse weiter gearbeitet werden. Cassidy wollte dafür keinen Zeitplan nennen. Er betonte aber: "Nichts ist für Gott unmöglich."
Die Vertreter der beiden Kirchen versuchten, Irritationen auszuräumen, die im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung entstanden waren. Zu dem Protest zahlreicher evangelischer Theologen gegen das Ökumene-Dokument sagte der Braunschweiger Bischof Christian Krause, Präsident des Lutherischen Weltbundes, er rechne deswegen nicht mit einer Kirchenspaltung. Der Widerspruch sei ausschließlich in Deutschland laut geworden.
Krause bestätigte, dass die Ankündigung eines Jubiläums-Ablasses zur Jahrtausendwende durch die katholische Kirche für Probleme bei Lutheranern sorge. Der Begriff Ablass sei eng verbunden mit der Reformationszeit und löse bei Lutheranern entsprechende Assoziationen aus. Die katholische Seite sehe die Ablass-Praxis jedoch bewusst nicht als Widerspruch zur Gemeinsamen Erklärung. Dieses wichtige Thema gehöre aber auf die Tagesordnung der nächsten Ökumene-Gespräche. Kardinal Cassidy erklärte, der Ablass werde wie die Rechtfertigung dem Menschen von Gott gegeben.
Papst steht hinter Gemeinsamer Erklärung
Papst Johannes Paul II. steht nach Angaben von Kardinal Cassidy voll hinter der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Die Unterzeichnung sehe der Papst mit "tiefster Befriedigung und Freude", außerdem werde er das Dokument demnächst persönlich würdigen. Cassidy verwies weiters darauf, dass die Rechtfertigungs-Erklärung "von den höchsten Autoritäten beider Kirchen" offiziell gebilligt worden sei. Dies gebe es bei anderen ökumenischen Dokumenten nicht. In den zurückliegenden Monaten war von evangelischen Kritikern die Vermutung geäußert worden, der Vatikan messe dem Dokument nicht den selben hohen Stellenwert bei wie der Lutherische Weltbund.
Kardinal Cassidy widersprach auch der Kritik, die katholische Kirche wolle in der Ökumene die Lutheraner vereinnahmen. Wörtlich sagte er: "Bei der Einheit der Christen geht es nicht um die Rückkehr zur katholischen Kirche." Einheit dürfe nicht mit "Einheitlichkeit" verwechselt werden. Heute sei ein gemeinsames Verständnis in einer zentralen Frage des christlichen Glaubens erreicht worden, die früher zu Lehrverurteilungen geführt habe. Ziel ist laut Cassidy die "Einheit im Glauben", die Ausdruck finde in der gegenseitigen Anerkennung der kirchlichen Ämter.
Bischof Walter Kasper, der Sekretär des Päpstlichen Einheitsrats, betonte, die erreichte Einigung über die Rechtfertigungslehre müsse nun von den Kirchen gemeinsam in die heutige Zeit übersetzt werden. Viele Menschen verstünden die Thematik nicht mehr. Ihnen müsse als Botschaft deutlich werden, dass der Menschen von Gott angenommen sei, unabhängig von seinen Leistungen und Fehlern. Wer aus der Barmherzigkeit Gottes lebe, solle selbst auch ein barmherziger Menschen werden.
Bischof Krause äußerte für den Lutherischen Weltbund die Hoffnung, dass es zu einer "gastweisen gegenseitigen Teilnahme am Abendmahl" für Lutheraner und Katholiken komme. Der Weg der Ökumene sei noch nicht an seinem Endpunkt. Von der erreichten Basis aus könne weiter gearbeitet werden." LWB-Generalsekretär Noko hob hervor, die Gemeinsame Erklärung sei ein "Dokument des Friedens". Keine christliche Kirche könne ihre Sendung unter den Bedingungen der heutigen Welt unabhängig von den anderen Schwesterkirchen verwirklichen.
Abendmahlsfrage weiter in der Diskussion
Die ökumenische Einigung von Augsburg wird begleitet von einer neuerlichen Diskussion über das gemeinsame Abendmahl von Lutheranern und Katholiken. Die evangelische Seite setzt angesichts der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre darauf, dass die katholische Kirche ihre bisherige Haltung ändert. Auch auf mehrfache Nachfragen von Journalisten wollte sich bei der Pressekonferenz zum Auftakt der Unterzeichnungs-Feiern jedoch keiner der Kirchenvertreter auf einen Zeitpunkt für eine mögliche Abendmahlsgemeinschaft festlegen. Dies hänge vom weiteren Verlauf des ökumenischen Dialogs ab, hieß es.
Ernst Öffner, evangelisch-lutherischer Kreisdekan für Augsburg und Schwaben, sagte, wenn Lutheraner und Katholiken "im Kern ihres Glaubens eins sind", dann müssten daraus konkrete Verbesserungen für das Miteinander in den Gemeinden und für konfessionsverschiedene Ehen und Familien folgen. Ziel bleibe die Eucharistiegemeinschaft, "zunächst wenigstens die gegenseitige Einladung zum Mahl am Tisch des Herrn und damit verbunden die gegenseitige Anerkennung als Kirche Jesu Christi". Denn keine Kirche sei "Kirche im Vollsinn ohne die anderen Kirchen".
Paul-Werner Scheele, Bischof von Würzburg und Ökumene-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte zum Wunsch nach Abendmahlsgemeinschaft: "Ich hoffe, dass der Tag so schnell wie möglich kommt." Die Kirchen seien mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre "einen guten Schritt weitergekommen", es bedürfe aber noch einiger zusätzlicher Klärungen.
Gegen Druck und öffentliche Anklagen
Zunächst müssten noch weitere Glaubenswahrheiten verbindlich miteinander bejaht werden, unterstrich Scheele. Dabei gehe es um das kirchliche Amt und das Sakramenten-Verständnis. Es gebe bereits viel "Konsens-Potenzial aus früheren ökumenischen Dialogen, der Schritt zum offiziellen Konsens müsse jedoch auch in den offenen Fragen noch vollzogen werden. Die Beteiligten dürften dabei nicht unter Druck gesetzt werden und "auf die Anklagebank geraten". Hinter dem gemeinsamen Abendmahl müsse die gemeinsame Glaubensüberzeugung stehen.
Der katholische Augsburger Bischof Viktor Josef Dammertz sagte, es sei ein Zeichen der Hoffnung, dass es auf beiden Seiten die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Abendmahl gebe. Er rief dazu auf, die heute bereits möglichen ökumenischen Schritte "weiter zu gehen und zu vermehren". Als Beispiel nannte Dammertz ökumenische Gottesdienste, Glaubensgespräche und gemeinsames soziales Engagement der Christen. (Schluss)
KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste)