Kairo, 23.2.00 (KAP) Die Begegnung Johannes Pauls II. mit dem Grosscheich der Al Azhar-Universität, Mohammed S. Tantawi, bildet einen der Höhepunkte der Ägypten-Reise des Papstes. Denn die im Jahr 969 unter fatimidischer Herrschaft begründete Al Azhar ist die renommierteste islamische Universität und in gewissem Sinn die höchste lehramtliche Autorität des sunnitischen Islam: Die Rechtsgutachten ("fatwas") der Al Azhar-Gelehrten finden breite Beachtung und haben Vorbildcharakter für den gesamten islamischen Raum. Tantawi gilt in seiner Grundhaltung als traditionell, zugleich aber auch als entschiedener Gegner von Fundamentalismus und Extremismus. Der Grosscheich äuserte sich in den letzten Tagen sehr respektvoll über den Papst und bezeichnete ihn als "weisen Menschen, der sich für Frieden, Liebe, Moral und Tugend" einsetze.
Vor seiner Ernennung zum 43. Grosscheich der Al Azhar war Tantawi Grosmufti von Ägypten. Als Grosmufti hatte er unter anderem Aufsehen erregt, weil er sich in der Abtreibungsfrage dafür aussprach, auch die ethische, die soziale und die eugenische Indikation zuzulassen. Auserdem hatte er sich für die Bildung eines gemeinsamen Gremiums von Muslimen, Christen und Juden ausgesprochen, das das umstrittene Buch "Die Satanische Verse" von Salman Rushdie bewerten sollte.
Anlässlich der Eröffnung einer Moschee in Rom hat der Vatikan 1995 mit der Al Azhar Kontakt aufgenommen. Im Frühjahr 1998 bildeten die Kairoer Islam-Universität und der vatikanische Rat für den interreligiösen Dialog ein offizielles Verbindungskomitee. Es ermöglicht Kontakte und Gespräche unter Wissenschaftlern und Intellektuellen beider Seiten. Bereits 1965 hatte Kardinal Franz König einen Vortrag an der Al Azhar gehalten, damals ein Vorgang, der weltweit und insbesondere im islamischen Bereich gröste Beachtung fand.
Der Besuch des Papstes in der Al Azhar und die Begegnung mit Scheich Tantawi ist nicht die erste Begegnung des Papstes mit hochrangigen Vertretern des Islam. Schon 1985 hatte Johannes Paul II. einen Besuch bei König Hassan von Marokko gemacht und im Stadion von Casablanca vor 50.000 muslimischen Studenten für Toleranz, Dialog und Zusammenarbeit zwischen beiden Religionen plädiert.
Nach einer Phase der Euphorie über die Chancen eines christlich-islamischen Dialogs in den siebziger Jahren hat sich heute - auch im Zuge eines wachsenden islamischen Fundamentalismus - vielerorts Skepsis eingestellt. Bei den römischen Bischofssynoden hatten vor allem Bischöfe aus muslimisch geprägten Ländern vor zu grosen Erwartungen an einen christlich-islamischen Dialog gewarnt.
Drei zentrale Glaubensinhalte trennen Christen und Muslime: Die Dreifaltigkeit Gottes, die Überzeugung, das Christus wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch ist, und die Erlösung durch Tod und Auferstehung Jesu.
Uni mit 190.000 Studenten
Die Al Azhar umfasst 55 Fakultäten und wird von 180.000 ägyptischen und 10.000 ausländischen Studenten besucht (allein 1999 gab es 42.000 Neueinschreibungen). Auserdem gibt es 50 "Azhar"-Institute in Afrika (Senegal, Tschad, Djibuti, Uganda, Südafrika), Asien und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Ende 1999 sprach ein verantwortlicher Vertreter der Universität über die geplante Eröffnung einer Filiale in Washington. Der Plan soll bereits von den zuständigen amerikanischen Behörden gebilligt worden sein, die die Positionen des muslimischen Athenäums als "gemäsigt" bezeichnen.
An der Al-Azhar-Universität werden auch "Missionare" und Prediger für die Verbreitung des Islam ("da'wa") ausgebildet, die oft Stipendien erhalten. Nach Schätzungen haben bisher rund 25.000 Studenten akademische Grade an der "Da'wa"-Fakultät erworben. Die Fakultät für muslimische Mission wird dieses Jahr von rund 2.000 Studenten besucht. Bei der Rückkehr in ihre jeweiligen Heimatländer werden die Absolventen dort als Verkünder des Islam, als Imame und Lehrkräfte (etwa an der neugegründeten Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien) tätig.
Kathpress