Johannes Paul II. zelebrierte feierlichen Gottesdienst zum Fest Mariä Verkündigung - Parallelen zwischen der Glaubenshaltung Abrahams und dem «Ja» Marias
Jerusalem, 25.3.00 (KAP) In der Verkündigungsbasilika von Nazareth hat Papst Johannes Paul II. am Samstag die Christen zur Erneuerung des Glaubens aufgerufen. Der Papst leitete in der Basilika den feierlichen Gottesdienst zum Fest Mariä Verkündigung, das im Heiligen Jahr zum 2.000-Jahr-Gedenken der Geburt Jesu besondere Bedeutung hat. Bei der Erneuerung des Glaubens gehe es aber nicht allein um eine allgemeine Lebenshaltung, sondern um das «bewusste und mutige Bekenntnis» des christlichen Credos, wonach Gott in Jesus Mensch geworden ist. Johannes Paul II. unterstrich die Parallelen zwischen der Glaubenshaltung Abrahams und dem «Ja» Marias.
In seiner Predigt appellierte der Papst an alle Christen, die Familie gegen die «aktuellen Bedrohungen ihres Wesens, ihrer Stabilität und ihres Auftrags» zu verteidigen. An die Christen und an alle Menschen guten Willens wandte sich Johannes Paul II. mit der Bitte, das Leben und die Würde jedes menschlichen Wesens zu verteidigen. Die Familien des Heiligen Landes und alle Familien der Welt vertraute der Papst der Fürbitte der Muttergottes an.
Zu Beginn seiner Ansprache sprach der Papst über seine persönlichen Empfindungen angesichts des Ortes, wo nach der Überlieferung vor 2.000 Jahren die Verkündigung des Engels an Maria stattgefunden hatte. Vor dem Gottesdienst hatte der Papst lange an dieser Stelle gebetet.
An der Messe nahmen rund 5.000 Menschen teil, die dem Papst einen begeisterten Empfang bereiteten. Auf die Streitigkeiten zwischen Muslimen und Christen in Nazareth um den geplanten Bau einer Moschee im Schatten der Verkündigungsbasilika ging der Papst in seiner Predigt nicht ein.
Heimatstadt Jesu
Die Stadt Nazareth im Norden Israels ist die Heimat Jesu. Auch wenn die Evangelien Bethlehem als Geburtsort nennen, wuchs er in Nazareth inmitten der Berge Galiläas auf. Hierhin kehrte er mit seinen Eltern von der Flucht nach Ägypten zurück. In der Forschung ist heute nicht mehr umstritten, dass Jesus vor Beginn seines öffentlichen Auftretens rund 30 Jahre in Nazareth lebte. Theologisch ist Nazareth, das im Alten Testament nicht erwähnt wird, als Ort der Verkündigung des Engels an Maria von Bedeutung. Dort wird ihr die Geburt des Gottessohnes angekündigt. Zahlreiche christliche Kirchen im Stadtgebiet erinnern an das in der Bibel berichtete oder von der Tradition ausgemalte Geschehen. So wird in einer Grotte unter der 1969 fertig gestellten katholischen Verkündigungsbasilika das Haus Mariens verehrt.
Nazareth war während der ersten Jahrhunderte nach Christus eine rein jüdische Stadt. Der erste Kirchenbau begann im 5. Jahrhundert, bald wurde die Stadt Bischofssitz. Heute ist das im fruchtbaren Norden Israels gelegene Nazareth mit knapp 60.000 Einwohnern die größte arabische Stadt des Landes und politisch traditionell links. Obwohl wie überall im Nahen Osten die Statistiken umstritten sind, dürften heute je 50 Prozent der Bevölkerung Christen und Muslime sein. In direkter Nachbarschaft wächst seit 1957 der Stadtteil Nazerat Ilit, der eine fast ausschließlich jüdische Bevölkerung hat. Hier leben bald annähernd so viel Menschen wie im alten Nazareth.
Seit gut zwei Jahren ist Nazareth wegen des Konflikts um den Bau einer Moschee in den Schlagzeilen. Ende 1997 hatten radikale Islamisten in unmittelbarer Nähe der Verkündigungsbasilika eine Grundfläche besetzt, eine «Zeltmoschee» eingerichtet und den Bau eines islamischen Gotteshauses angekündigt, dessen Minarette die Basilika überragen sollten. Nach langen Auseinandersetzungen - die zu Ostern 1999 in Krawallen gipfelten - kam es zu einem Kompromiss: Die Islamisten räumten zunächst das Gelände, ab 2001 soll an diesem Platz eine kleine Moschee entstehen. Wegen der latenten Spannungen hatten die israelischen Behörden aus Anlass des Papstbesuches die Sicherheitsmaßnahmen in Nazareth zusätzlich verstärkt.
Dritte Kirche am selben Platz
Seit den sechziger Jahren beherrscht die über der Verkündigungsgrotte erbaute moderne Verkündigungskirche mit ihrer eindrucksvollen Kuppel das Stadtbild des alten Nazareth. Eine erste Kirche über der Grotte war in spätrömischer Zeit errichtet worden, in ihren freigelegten Fundamenten fand man Mosaiken verschiedener Epochen. Die Kreuzfahrer bauten eine Kirche größeren Ausmaßes in der Achse der byzantinischen Kirche. Die neue Kirche war 70 Meter lang und 30 Meter breit, gut erhaltene Kapitelle der Kreuzfahrerkirche werden in der modernen Kirche aufbewahrt. Die Kirche fiel der Zerstörungswut des Mameluken-Sultans Baibars 1263 zum Opfer, danach war der Ort Jahrhunderte eine Trümmerstätte. Erst 1620 konnten die Franziskaner die Ruinen erwerben und sich in Nazareth niederlassen. 1730 erbauten sie unter schwierigen Verhältnissen eine vorläufige Kirche, die 1954 abgetragen wurde, um der neuen Basilika Platz zu machen.
Die Basilika über den Fundamenten der Kreuzfahrerkirche wurde nach den Plänen des italienischen Architekten Giovanni Muzio 1960 bis 1969 erbaut; sie gilt nicht als architektonische Offenbarung. Die Unterkirche ist hauptsächlich für Pilger gedacht, von hier gelangt man auch in die Verkündigungsgrotte. Die Oberkirche dient der römisch-katholischen Gemeinde von Nazareth als Pfarrkirche. Die Bronzeportale der Kirche von Roland Friederichsen aus München zeigen das Schicksal Jesu.
Von der Unterkirche gelangt man an vier antiken Säulen mit brennenden Lampen vorbei zum Eingang der Verkündigungsgrotte. Es ist dies eine Felsenhöhle, eine von vielen in der nächsten Umgebung, die sich unter Häusern der Nazarener der Zeit Christi befunden haben, wie Ausgrabungen ergeben haben. Vor dem Altar in der Grotte sind in Marmor die Worte «Verbum caro hic factum est» (Hier ist das Wort Fleisch geworden) gemeißelt.
Die Wand hinter dem Altar der Oberkirche trägt ein Monumentalmosaik: Christus umfängt die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Das Licht des Kirchenraumes entströmt den Fenstern der wie ein Lilienkelch gestalteten Kirchenkuppel. An den übrigen Wänden der Oberkirche und den Wandelhallen am Vorplatz der Kirche haben zahlreiche Nationen (darunter auch Österreich) in Mosaik, Fresko, Skulptur oder auf Majolika-Platten Lobpreisungen der Jungfrau Maria (mit Darstellungen berühmter Marienwallfahrtsorte) angebracht.
Papstreise «Zeichen für mehr Toleranz»
Optimistisch für den weiteren jüdisch-christlichen Dialog im Heiligen Land und darüber hinaus äußerte sich am Samstag Rabbiner David Rosen, Vertreter der «Anti Defamation League» in Israel, gegenüber dem ORF. Kein anderer Papst der Geschichte habe sich sich so intensiv mit dem Judentum befasst und Kontakt gesucht wie Johannes Paul II. Der Papst verstehe auch, was der Staat Israel für das jüdische Volk bedeute, sagte Rosen. Eine völlige Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan wäre in den Augen des Rabbiners von «enormer» Bedeutung. Den Besuch des Papstes in Israel bewertete Rosen als «Zeichen für mehr Toleranz» in diesem Teil der Welt.
Der Großmufti von Jerusalem, Ikrima Sabri, äußerte gegenüber dem ORF dagegen die Hoffnung, dass sich der Papst für ein Ende der «israelischen Besetzung» Jerusalems einsetzen werde. In Palästina herrsche zwischen Christen und Muslimen ein gutes Einvernehmen und eine unproblematische Beziehung. Eine Reise des Papstes nach Mekka sei deswegen aber noch nicht angebracht, es «genüge» ein Besuch in Hebron. Das Verhältnis der beiden größten Weltreligionen insgesamt werde man, so Sabri, nicht in einigen wenigen Tagen klären können.
Kathpress