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Publisert 23. august 2000 | Oppdatert 6. januar 2011

Die Strategie Papst Johannes Pauls II. im Hinblick auf die Erwartungen der Erlebnis-Generation scheint aufzugehen

«Kathpress»-Hintergrundbericht von Ludwig Ring-Eifel

Rom-Vatikanstadt, 22.8.00 (KAP) Selbst im Vatikan gab es überraschte Gesichter, als mehr als zwei Millionen Teilnehmer bei der Abschlussfeier des 15. Weltjugendtags in Rom gezählt wurden. Nicht einmal die größten Optimisten hatten mit mehr als 1,5 Millionen gerechnet. Neben der Zahl war auch der religiöse Gehalt der sechstägigen Veranstaltung für viele Beobachter eine Überraschung. Mehrere hunderttausend Jugendliche, die das Bußsakrament empfingen, stellten damit unter Beweis, dass es ihnen um mehr ging als um eine «römische Love-Parade». Doch die Jugend-Sensation von Rom kam nicht aus heiterem Himmel, sie ist das Ergebnis einer seit Jahren verfolgten Strategie des Papstes.

Johannes Paul II. persönlich interpretierte in seiner Abschlusspredigt am Sonntag die religiösen Massen-Treffen als eine Art weltweite Weggemeinschaft. Er dankte Gott für die Weltjugendtage und sprach von der langen Strecke, die diese Treffen seit ihrem Start im Jahr 1984 zurückgelegt hätten. Eindringlich erinnerte er an die vielen jungen Menschen, die im Laufe der Jahre von dieser Veranstaltung angesprochen wurden und die jetzt als Erwachsene ihrem Leben eine Richtung geben, die sich vielleicht ein wenig von der ihrer Altersgenossen unterscheidet. Die neu hinzugekommenen Weltjugendtags-Pilger rief er auf, in die Fußstapfen ihrer Vorgänger zu treten.

Die im Laufe der Jahre angewachsenen Teilnehmerzahlen sind ein sprechender Beleg dafür, dass die Idee des Papstes, den im französischen Taize vorexerzierten religiösen Gemeinschafts-Effekt für Jugendliche auch auf katholischer, weltkirchlicher Ebene einzusetzen, überaus erfolgreich ist. Der erste Weltjugendtag in Rom brachte 200.000 junge Menschen zusammen, heuer waren es zwei Millionen. Dazwischen liegt eine lange Entwicklung. Den eigentlichen Durchbruch auf dem Weg zum internationalen geistlichen «Mega-Event» brachte das Treffen von Denver 1993. Trotz einer zunächst skeptischen Medienberichterstattung in den USA kamen damals statt der erwarteten 200.000 rund 500.000 Jugendliche.

Die Rolle Kardinal Staffords

In Denver vollbrachte die katholische Kirche erstmals das «Kunststück», in einer säkularen Gesellschaft und aus einer Minderheitssituation heraus Massen von jungen Menschen in dieser Größenordnung für eine mehrtägige religiöse Veranstaltung zu mobilisieren. Der Organisator des Treffens, Denvers Erzbischof Francis Stafford, wurde denn auch wenige Jahre später vom Papst zum Präsidenten des Päpstlichen Laienrates in den Vatikan berufen. Seither ist er der «Chef-Organisator» aller Weltjugendtage. Sein Meisterstück lieferte er 1997 in Paris, als er einer kritischen oder sogar hämischen laizistischen Presse in Frankreich zum Trotz das «Wunder» vollbrachte, rund eine Million junge Menschen zu mobilisieren. Ein Jahr später wurde Stafford zum Kardinal befördert.

Eines der Geheimnisse des ebenso unauffälligen wie gewinnenden Meister-Organisators: Er weitete die ursprünglich auf die «neuen» geistlichen Bewegungen («Movimenti»), auf Charismatische Gemeindeerneuerung, Neokatechumenat, Opus Dei usw. fixierte Mobilisierung aus und wandte sich auch an die «ganz normalen» diözesanen und nationalen Jugend-Verbände. Besonders deutlich ist dies in Deutschland. Hier nahmen bis zum Treffen von Paris fast nur Jugendgruppen teil, die dem «konservativ-charismatischen» Spektrum nahe stehen. Mit wenigen hundert Anmeldungen fiel die deutsche Beteiligung an Weltjugendtagen stets vergleichsweise erbärmlich aus. In Paris steigerte sich die Zahl aber um «über tausend Prozent» auf knapp 7.000, weil jetzt auch die offizielle Katholische Jugend mitwirkte. Aber auch über den Rand der katholischen Jugendseelsorge hinaus hat Stafford keine Berührungsängste. So lädt er zum Weltjugendtag stets auch junge Menschen aus anderen Kirchen ein.

Der eigentliche Erfolgsgarant der Treffen bleibt jedoch der Papst selbst. Seine Anziehungskraft auf die Jugendlichen scheint mit fortschreitendem Alter paradoxerweise immer weiter zu wachsen. Neben einer Art Starkult um den 80-jährigen ist es vor allem seine Botschaft, die mobilisiert. Unbeirrt vom Zeitgeist predigt er den jungen Leuten seinen Mix aus purem Evangelium, «konservativer» Sexual-Ethik und überaus «progressiver» Sozial-Ethik, die auf der politischen Yuppie-Bühne des «triumphierenden Marktes» einer längst vergangenen Zeit anzugehören scheint. Vor allem aber gelingt es ihm, den jungen Leuten mit seinen Worten und Gesten das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihm wichtig sind, dass er viel von ihnen fordert, ihnen zugleich aber etwas zutraut - und, vielleicht das wichtigste: dass er sie ganz besonders liebt. Er nimmt damit eine Rolle ein, die eigentlich den Familienvätern (oder Großvätern) zukommt, von diesen aber derzeit oft vernachlässigt wird.

Neue Evangelisierung

Unterschiedlich fällt die langfristige Bewertung der im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden Massentreffen aus. Während manche Kommentatoren von einem oberflächlichen Jubeltreffen mit personenkult-artigen Zügen der Papstverehrung sprechen, sehen andere darin ein «machtvolles Werkzeug der Neuevangelisierung». In den italienischen und französischen Medien hat der erneute große Erfolg des Weltjugendtags zu Debatten darüber geführt, ob sich die Ära des «Laizismus» dem Ende zuneige und die Kirche möglicherweise begonnen habe, die gesellschaftliche Mehrheit zurückzuerobern. Wieder andere, so etwa der französische Kurienkardinal Roger Etchegaray und, in seltenem Einklang, auch die romkritische deutsche Bewegung «Wir sind Kirche» sehen im Erfolg der Weltjugendtage einen Anstoß zur innerkirchlichen Erneuerung. Ähnliche Töne beim mexikanischen Kardinal Roberto Rivera Carrera, der ein Überdenken der gängigen Seelsorgsstrategien gegenüber den jungen Leuten anregte.

Nachdem es vereinzelt Spekulationen gab, ob die Tradition der Weltjugendtage nach dem Heiligen Jahr überhaupt weiter geführt werde, hat der Papst am Ende des Treffens in Rom keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Weltjugendtage auch in Zukunft fortsetzen will. Sie sollen sich offenbar, ebenso wie die klassischen Wallfahrten, zu einem weiteren, nicht-pfarrgebundenen Pfeiler der Evangelisierung entwickeln. Für die immer mobiler werdende und auf Erlebnis-Kultur ausgerichtete postmoderne junge Generation könnte dies möglicherweise genau das richtige Rezept sein. Das nächste Mega-Treffen ist in Toronto (2002) geplant. Danach dürfte ein Land der Südhalbkugel an der Reihe sein.

Kathpress