Heiligsprechung des Ordensgründers «Hermano Pedro» als Signal für die Option für die Armen
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Ciudad de Guatemala, 30.7.02 (KAP) Unmittelbar vor dem ersten Papstbesuch in Guatemala 1983 hatte der damalige Präsident Efrain Rios Montt - ein fanatischer Anhänger einer nordamerikanischen protestantisch-fundamentalistischen Sekte - sechs Oppositionelle hinrichten lassen. Die scharfen Proteste der katholischen Kirche und des Vatikans kümmerten ihn nicht. Zum dritten Besuch von Johannes Paul II. verfügte der heutige Präsident des größzen zentralamerikanischen Landes, Alfonso Portillo, eine Aussetzung aller Todesurteile, mit dem Ziel einer völligen Abschaffung der Todesstrafe.
Sechs Jahre nach dem Ende des längsten und blutigsten Bürgerkrieg Zentralamerikas ist Johannes Paul II. erneut nach Guatemala gekommen, um den Ordensgründer Pedro de San Jose de Betancur heilig zu sprechen. Schon bei seiner Begrüßung auf dem Flughafen von Ciudad de Guatemala würdigte Präsident Alfonso Portillo den Papst als «Symbol des Friedens und der Versöhnung unter den Menschen». Johannes Paul II. habe wesentlich zur Demokratisierung und zum Frieden in Guatemala beigetragen. Bei seinem letzten Besuch im Frühjahr 1996 hatte der Papst mit allem Nachdruck Regierung und Rebellen gedrängt, den Bürgerkrieg zu beenden. Wenige Monate später wurde der Friedensvertrag unterzeichnet.
Nach den langen und strapaziösen Gottesdiensten beim Weltjugendtag in Toronto wirkte der 82-jährige Papst bei seinem eintägigen Besuch in Guatemala erschöpft. Hatte er bei der Abreise in Kanada den nagelneuen Airbus der guatemaltekischen Airline TACA noch zu Fuß bestiegen, ließ er sich bei der Ankunft eine Hebebühne. Vor der Kulisse der grünen Berge und Vulkane sprach er sich schon in seinem Begrüßungsappell für Frieden und Gerechtigkeit aus. Zugleich forderte er Solidarität mit den Indios, mit der Not leidende Landbevölkerung und mit allen Armen und Ausgegrenzten.
Von der Heiligsprechung des «Hermano Pedro» erwartet sich Johannes Paul II. nach eigenen Worten Anstöße für eine gesellschaftliche Erneuerung Guatemalas. Trotz Friedensschluss ist das Land noch weit von der Normalität entfernt. Misswirtschaft, Korruption und neuerdings eine erschreckende Zunahme der Gewalt behindern die Normalisierung. Zwar versucht eine Wahrheitskommission nach dem Vorbild Südafrikas die Menschenrechtsverletzungen des Bürgerkriegs zwischen rechten Militärs und linken Rebellen aufzuarbeiten. Aber wie dornig dieser Weg ist, zeigte der kalte Mord an Bischof Juan Gerardi im April 1998, dem Leiter der katholischen Menschenrechtsarbeit.
«Hermano Pedro» ist nicht nur der erste Heilige Zentralamerikas - er ist auch der erste Heilige der Kanarischen Inseln. Und so reisten zur Feier auch 500 Katholiken von diesen spanischen Inseln vor der afrikanischen Küste an. Die von Pedro de San Jose de Betancur gegründete Gemeinschaft der Bethlehemiten - eine der ganz wenigen lateinamerikanischen Orden - besteht bis heute mit rund 800 weiblichen Mitgliedern in zahlreichen Staaten. Der männliche Zweig wurde 1820 aufgelöst, im Zuge der Seligsprechung vor 15 Jahren aber wieder ins Leben gerufen. Heute gibt es zehn männliche Bethlehemiten, die alle zur Heiligsprechung ihres Gründers anreisten: vier Guatemalteken und sechs Spanier. Vor kurzem haben sie in der alten Landeshauptstadt Antigua wieder ein Hospital für Bedürftige errichtet. Die Heiligsprechung ist somit ein deutliches Signal der Kirche bei ihrer Option für die Armen und für ihre Solidarität mit der indigenen Bevölkerung. Und einen neuen Aufwind braucht die katholische Kirche in Guatemala, wo die protestantisch-fundamentalistischen Sekten aus Nordamerika gepusht werden.
Der von Washington gestützte ehemalige Machthaber Rios Montt, der vor 19 Jahren für den Affront gegen den Papst verantwortlich war, nahm übrigens auch an der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen von Ciudad de Guatemala teil. Er bekleidet heute das Amt eines Parlamentspräsidenten.
30. juli 2002