Bischöfe appellieren an Staatspräsident Schuster, das Gesetz nicht zu ratifizieren - Schwere Spannungen in der Koalition zwischen Christdemokraten und Neoliberalen
Preßburg, 8.7.03 (KAP) Die katholischen Bischöfe der Slowakei haben in Medieninterviews zu Wochenbeginn erneut an Staatspräsident Rudolf Schuster appelliert, das am Donnerstag vom Parlament beschlossene neue Abtreibungsgesetz nicht zu ratifizieren. Die Gesetzesnovelle soll den legalen Schwangerschaftsabbruch bis zur 24. Woche ermöglichen, falls der Embryo genetische Schäden aufweist. Bisher war diese Möglichkeit nur durch einen Erlass des Gesundheitsministeriums geregelt worden.
Die Novelle war von einem Teil der Regierung gemeinsam mit der Opposition beschlossen worden; die in der Regierung vertretenen Christdemokraten (KHD) unter Pavol Hrusovsky lehnen die Novelle entschieden ab. Eingebracht wurde die Gesetzesnovelle von der liberalen «Allianz des Neuen Bürgers» (ANO) unter dem slowakischen «Medienzaren» Pavol Rusko, um die gegenwärtige Abtreibungsregelung präventiv gegen eine am 4. September vom Verfassungsgericht zu beurteilende Klage der KDH abzusichern.
Staatspräsident Schuster hat bis 17. Juli Zeit, das Gesetz durch sein Veto an das Parlament zurückzuverweisen. Ob er die Unterschrift verweigern kann, ist fraglich, da es sich nach der Intention der Verfassung nur um eine Bestätigung der rechtmäßigen Prozedur handelt.
Der ehemalige Chef des parlamentarischen Verfassungsausschusses, Ladislav Orosz, wies am Dienstag darauf hin, dass das Gesetz ausdrücklich nicht vorsieht, dass der Präsident ein Gesetz nicht gegenzeichnet. Es sei dies in der zehnjährigen Geschichte der souveränen Slowakischen Republik auch noch nicht vorgekommen.
Wie aus der Umgebung des Präsidenten verlautet, könnte dieser die Öffentlichkeit mit seiner Vorgangsweise auch «überraschen» und sich am verstorbenen belgischen König Baudouin orientieren. Baudouin war aus dem gleichen Anlass kurzfristig von seinem Amt zurückgetreten.
Strittig ist auch die Vorgangsweise von Parlamentspräsident Hrusovsky, der das Gesetz ebenfalls gegenzeichnen muss. Der Pressesprecher Hrusovskys, Michal Dyttert, erklärte am Dienstag, der Parlamentspräsident werde «alle ihm von der Verfassung und Geschäftsordnung des Nationalrats auferlegten Bestimmungen einhalten».
Dem Vernehmen nach hat Hrusovsky Rechtsgutachten über eine mögliche Vorgangsweise bei Fachleuten einschließlich solcher im kirchlichen Bereich einholen lassen. Auch Staatspräsident Schuster hat nach Aussage seines Pressesprechers Jan Füle Gutachten bei Juristen und Fachleuten aus dem Gesundheitswesen in Auftrag gegeben.
Präsident Schuster, Ministerpräsident Mikulas Dzurinda und Parlamentspräsident Hrusovsky waren die prominentesten Politiker unter den 600.000 Teilehmern der Wallfahrt nach Levoca. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Diözesanbischof Frantisek Tondra, warnte in seiner Ansprache in Levoca vor dem neuen Gesetz. Hier werde «ein Kampf zwischen der Kultur des Lebens und der Kultur des Todes geführt», so Tondra.
Der Bischof erklärte, die ganze Slowakei richte ihre Augen auf den anwesenden Staatspräsident Schuster, der «die Schlüssel zur Lösung der Regierungskrise in seinen Händen hält». Das Land warte auf eine «weise Entscheidung». Wörtlich sagte Tondra: «Wir opfern auch diese Heilige Messe für Sie auf, auf dass Sie bei dieser Entscheidung der Heilige Geist führen möge».
Der Hauptzelebrant des Gottesdienstes, der Apostolische Nuntius in der Slowakischen Republik, Erzbischof Henryk Jozef Nowacki, unterstrich, dass sich die Kirche für den Schutz des Menschen und seiner Würde einsetze. Es sei ihre Aufgabe, das menschliche Leben von der Geburt bis zum Tod zu schützen.
Auch der Bischof von Nitra, Kardinal Jan Chryzostom Korec, nahm bei einem Gottesdienst zu Ehren der Slawenapostel Cyrill und Method am Samstag zu der umstrittenen Gesetzesnovelle Stellung. «Ein Volk, das seine Kinder erschlägt, hat keine Zukunft», erklärte er: «Was man heute Abtreibung nennt, ist auf slowakisch ein Kindermord. Auf diese Weise sind schon einige Hunderttausend Kinder ums Leben gekommen».
Auch Abkommen über Bildung betroffen
In dem herrschenden Klima eines «Kulturkampfs» innerhalb der slowakischen Regierungskoalition lehnt die liberale ANO nun auch ein Abkommen der Slowakei mit dem Vatikan über katholische Erziehung und Bildung ab. Der Vertrag sei für die Slowakei ungünstig und enthalte keine Ausstiegsklausel, sagte ANO-Chef Pavol Rusko am Montagabend nach einer Vorstandssitzung seiner Partei in Preßburg.
Laut Rusko handelt es sich beim Abkommen um einen «Versuch, hinter dem Rücken des Parlaments den Charakter des Staates zu ändern». Es verschaffe nämlich der katholischen Kirche Sonderrechte im öffentlichen Leben. Die ANO werde eine «Klerikalisierung des Staates» nicht erlauben und wolle eine Diskussion über die Trennung der Kirchen vom Staat beginnen.
Die Unterzeichnung des Abkommens mit dem Heiligem Stuhl liegt in der Kompetenz der Regierung. Bei der Sitzung des Regierungskabinetts in der Vorwoche legten die ANO-Minister ein Veto gegen den Vertrag ein. Das Kabinett kann sich über das Veto einer Koalitionspartei durch Mehrheitsabstimmung hinwegsetzen. Für die Ratifizierung des Abkommens ist allerdings auch eine Mehrheit im Parlament nötig, über die die drei restlichen Regierungsparteien ohne die ANO nicht verfügen.
Kathpress
8. juli 2003