Frere Roger faszinierte die Menschen durch die einfache Botschaft des Evangeliums - "Kathpress"-Porträt von Christoph Strack
Er war ein Vorbild für Millionen von Jugendlichen: Zusammen mit der von ihm begründeten ökumenischen Gemeinschaft von Taize hat Frere Roger die christliche Jugend in Europa geprägt. Ausgerechnet an dem Tag, an dem Hunderttausende von Christen aus aller Welt zum katholischen Weltjugendtag nach Köln pilgerten und auch die Brüder aus Taize in Köln und Bonn Geistliche Zentren öffneten, wurde der Gründer und Prior der weltbekannten Gemeinschaft beim Abendgebet von einer offenbar psychisch gestörten Frau getötet. Ein Schlag für die Gemeinschaft in dem kleinen südburgundischen Dorf Taize bei Cluny, ein Schlag auch für die christliche Ökumene. Frere Roger faszinierte die Menschen durch die einfache Botschaft des Evangeliums.
Roger Schutz-Marsauche wurde am 12. Mai 1915 in Provence im Kanton Waadt (Vaud) als Sohn einer Französin aus Burgund und eines reformierten Schweizer Pfarrers geboren. Wie wenige andere hat Frere Roger sein Leben der Ökumene verschrieben. Seit Beginn der vierziger Jahre entwickelte der reformierte Theologe in Taize ein neues Modell des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Konfessionen.
Zum ersten Mal war der reformierte Christ 1940 in das damals noch verschlafene Nest Taize gekommen, um Flüchtlingen über die Demarkationslinie zwischen "besetztem" und "unbesetztem" Frankreich zu helfen. 1944 gründete er mit Studienfreunden die Gemeinschaft, die sich der Aussöhnung der Kirchen, der europäischen Verständigung und einem einfachen Leben verschrieb.
1949 legten erstmals sieben Männer - sie kamen aus Kirchen der Reformation - die Ordensgelübde ab, versprachen Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Seit 1969 leben mit Erlaubnis des Erzbischofs von Paris auch katholische Brüder in Taize; sie stellen heute gut ein Drittel der rund 100 Brüder.
Mahner gegen das Vergessen
Doch es war längst nicht nur die ökumenische Botschaft, mit der der Prior von Taize die Menschen faszinierte. Frere Roger galt als Mahner gegen das Vergessen der Benachteiligten im "Süden". "Wer wird das Beste seiner schöpferischen Gaben einsetzen, wo es menschliche Verlassenheit, Krankheiten, Hunger, Elendsbehausungen gibt?" fragte er 1984. Die Brüder von Taize haben ihre Antwort gegeben. Sie gründeten Niederlassungen in zahlreichen Elendsvierteln der Megalo-Städte des "Südens".
Seit längerem saß Frere Roger im Rollstuhl. Er nahm nicht mehr viele öffentliche Auftritte wahr und sprach leise. Seinen 90. Geburtstag im Mai erlebte er in Gelassenheit und ohne jede Feier. Aber seine Mahnungen bleiben bestehen. Noch Ende Dezember in Lissabon nutzte er das jährliche Europäische Jugendtreffen der Taize-Gemeinschaft zur Mahnung an das zusammenwachsende Europa. Der Kontinent dürfe nicht der Versuchung erliegen, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Europa werde seiner Berufung erst voll gerecht, wenn es sich für andere Erdteile öffne und mit ärmeren Nationen solidarisch sei.
Es gehörte zur Größe von Frere Roger, dass er über Ungerechtigkeit und Ökumene ebenso ernst und verständlich reden konnte wie über Gott, Glaubenszweifel und Tod. "Der Tod", sagte er vor zwei Jahren, "öffnet einen Durchgang zu einem Leben, in dem Gott uns für immer in sich aufnimmt". Und trotzdem werde es ihm schwer fallen, "meine Brüder zu verlassen, die vielen jungen und weniger jungen Leute, deren Eingebungen Lichtstrahlen in meinem Leben waren".
KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste) (17. august 2005)