Mit Frere Roger starb ein "Übervater der Kirchenjugend" - Der plötzliche und gewaltsame Tod des greisen Propheten der Ökumene ist ein Schock auch für den Kölner Weltjugendtag
Mit Frere Roger ist ein "Übervater der Kirchenjugend" gestorben: So betitelte der neue Chefredakteur der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA, Ludwig Ring-Eifel, seinen Kommentar zu den Auswirkungen des Mordanschlags auf den greisen Prior von Taize. Wörtlich schrieb Ring-Eifel: Nur langsam hatte sich in der Nacht zum Mittwoch unter den Teilnehmern des Weltjugendtags in Köln die Nachricht von der Ermordung des Taize-Gründers Frere Roger verbreitet. Wer es aus den Medien, über SMS oder Mundpropaganda erfahren hatte, reagierte mit schweigendem Entsetzen. Andere berichteten von Freunden, die in Weinkrämpfe ausgebrochen waren und die Welt nicht mehr verstehen konnten. Erst am Tag nach der Bluttat strömten dann Tausende von Jugendlichen zu den "Taize-Kirchen" des Weltjugendtags, die Gotteshäuser mussten zeitweise geschlossen werden, weil der Andrang zu groß war.
Zwar ist nur ein Teil der kirchlich bewegten Jugend Europas irgendwann einmal in Taize gewesen und hat dort an der Mischung aus Mystik und Ökumene, Gebet und Musik, Frömmigkeit und Aktivismus teilgenommen, die Frere Roger über Jahrzehnte prägte. Anders als der weltreisende Medienstar Papst Johannes Paul II., mit dem ihn eine lange Freundschaft verband, war der Prior von Taize nicht das Idol einer ganzen Generation.
Der Anteil des asketischen Mystikers am aktuellen "religiösen Jugend-Revival" in Europa ist dennoch gewaltig und kaum in Zahlen auszudrücken. Fest steht, dass seit den sechziger Jahren insgesamt mehrere Millionen junge und weniger junge Menschen in die sanfte Hügellandschaft Burgunds gepilgert sind, um mit ihm in der "Versöhnungskirche" zu singen, zu beten und zu meditieren. Die dort entwickelten neuen, meist lateinischen Gesänge wie das "Taize-Halleluja" oder "Ubi Caritas" gehören mittlerweile zum Standardrepertoire vieler Gemeinden. Und die hölzernen Kniebänkchen zur Erleichterung des meditativen Sitzens haben längst ihren Platz in katholischen Klöstern und kirchlichen Exerzitienhäusern gefunden.
Zwischenzeitlich hat die Brüdergemeinschaft Tochter-Konvente in vielen Ländern der Erde gegründet, und die alljährlichen "Taize-Treffen" in verschiedenen Metropolen Europas sind fester Bestandteil des kirchlichen Lebens geworden. Dennoch ist "Taize" nie zu einer organisierten kirchlichen Massenbewegung geworden. Zu sehr war die dort praktizierte Frömmigkeit an den Ort in Burgund mit seinem Dauer-Zeltlager-Provisorium und an das persönliche Charisma von Frere Roger geknüpft.
Auch wenn nur ein Teil der glaubensbewegten Jugendlichen aus der Taize-Tradition kommt: Der plötzliche und gewaltsame Tod des greisen Propheten der Ökumene ist ein Schock auch für den Kölner Weltjugendtag. Vor acht Jahren starb Mutter Teresa, nicht einmal ein halbes Jahr ist seit dem Tod von Johannes Paul II. vergangen, nun ist auch Frere Roger nicht mehr da. Damit sind die drei vielleicht populärsten christlichen Orientierungs-Gestalten der jüngsten Gegenwart tot, neue Persönlichkeiten mit einer ähnlichen Breitenwirkung und Ausstrahlung sind (noch) nicht da. Die Last, die auf den Schultern von Papst Benedikt XVI. ruht, wird nicht leichter.
KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste) (18. august 2005)